... suchen sie Rettung, und siehe - sie ist erschienen. "Die ganze Woche" eröffnet ihnen mit der Serie Wen oder was wählen Sie? Zugang zu jenem Wissen, über das man verfügen muss, soll man sich in den Mysterien demokratischer Vorgänge zurechtfinden. Dabei gilt es zunächst, die fiesen Tricks der Politiker darzustellen.

Politiker wissen, daß es Menschen am allerliebsten hören, wenn man ihnen etwas Wunderbares verspricht. Selbst wenn man eine rosige Zukunft nur vage in Aussicht stellt, hören die Leute schon gerne zu, und zwar besonders dann, wenn es rundum eher Grau in Grau aussieht und "Die ganze Woche" der einzige Lichtblick der Woche ist. Das ist eine alte Grundregel aller bekannten Verführer.

Der Politologe des Blattes bleibt leider anonym, es muss sich bei ihm aber, nach der Intimkenntnis der Methoden zu schließen, um einen guten Freund von Don Juan handeln. Schon Don Juan pflegte die Aufmerksamkeit der Frauen auf die Zukunft zu lenken, auf eine phantastische Welt, in die er sie zu verführen versprach. Er stimmte seine einschmeichelnden Worte genau auf die Probleme seiner Zielperson ab. Er kannte die Wunschvorstellungen der Frauen, die er für sich gewinnen wollte, und er lud sie durch seine Rede zum Träumen ein. Und da war keine, die nicht träumte: Wer, wenn nicht er.

Dabei ließ sich Don Juan niemals darauf ein, wie solche Träume zu verwirklichen wären, und er ging auch nie ins Detail. Ganz im Gegenteil, es geht darum, die Gedanken so zu lenken, daß selbst Luftschlösser abgenommen werden. Zum Beispiel eine gelungene Budgetreform. Bei Männern, wie etwa Rechnungshofpräsidenten, zieht das naturgemäß weniger, aber die Frauen! Der Widerstand wird schwächer, und die Betroffenen lassen sich leichter manipulieren, weil sie eben von der rosigen Zukunft und eventuell von einem rosigen Finanzminister träumen und sie gerne für Wirklichkeit halten. Dabei ist alles nur für den Stronach.

Der Aufklärer der "Ganzen Woche" sieht aber die Menge des Volkes nicht wie einst Adolf generell als Weib an, dem es nur den Herrn zu zeigen gilt. Er weiß einerseits: Die Berater der Parteien wissen, daß die Menschen lieber in den Wolken schweben und daß es schwer ist, real von irreal zu unterscheiden. Deshalb sind die Politiker von diesen Beratern angewiesen, möglichst vage und mehrdeutig den süßen Klang ihrer Worte und die damit hervorgerufenen Illusionen und Phantasien unterzubringen. . . Und worauf muß ein Verführer, einer, der mit seiner Angebeteten endlich zum Ziel gelangen will, achten? Auf die Stimme, auf die Gesten, auf den Gang, auf die Kleidung und auf die Blicke.

Andererseits: Im Wahlkampf bringen nicht nur Männer den süßen Klang ihrer Worte unter. Die verführerischsten Frauen der Geschichte haben mit allen diesen Einzelheiten ihren Opfern so sehr den Kopf verdreht, daß die Männer überhaupt nicht bemerkten, daß alles nur eine Illusion war. Welcher Mann und Wähler hätte je bemerkt, daß alles nur eine Illusion ist, wenn ihn die Kostüme der Außenministerin oder die Stimme unserer Bildungsministerin in ihren Bann schlugen?

Eine bekannte Verführerin vor sechzig Jahren war die als Politikerin weniger bekannte Pamela Churchill Harriman. Was die mit den Wahlen in fünf Wochen in Österreich zu tun hat? Nicht mit ihrer Schönheit zog sie typische Wechselwähler wie Gianni Agnelli, Baron Elie de Rothschild oder zu guter Letzt Averill Harriman in ihren Bann, auch nicht mit ihrer Herkunft oder ihrer lebhaften Persönlichkeit, sondern - und das macht uns hiesige Wähler ganz scharf - mit einem Bündel von Einzelheiten.

Es begann mit ihrem konzentrierten Blick. Den rückte sie heraus, wenn sie den Eindruck erwecken wollte, daß sie jedem einzelnen Wort eines Mannes lauschte. Blöd, dass die weiblichen Wähler in der Überzahl sind, aber dahin kommt 's, wenn Frauen das Wahlrecht erhalten. Danach hat es Pamela verstanden, stets die Lieblingsblumen ihres Opfers zur Verschönerung der gemeinsamen Umgebung beizusteuern. Das hat immer enormen Eindruck gemacht, denn auch die abgefeimtesten Männer fühlen sich geschmeichelt, wenn man auf ihre Eigenarten eingeht. Etwa mit roten Nelken.

Ganz genau so geht es in der Politik zu. Die Markt- und Meinungsforscher werden laufend von den wahlwerbenden Parteien beauftragt, herauszufinden, was die Wähler bevorzugen. Danach gibt es kein Halten mehr.

Teil 2 der Serie: So wie es Rudolph Valentino schaffte, jede Frau zu verführen, gehen die Politiker mit dem Wahlvolk um. Hoffentlich am Beispiel von Wolferl Valentino.
(DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2002)