Die EU-Verfassungsdebatte wird konkret: Großbritannien würde eine stärkere EU-Innen- und Justizpolitik akzeptieren und legte nun sogar selbst einen Text mit dem Titel "Verfassungsvertrag" vor.Nachdem die britische Regierung mit dem Entwurf des Cambridge-Professors Alan Dashwood politisch in die Offensive gegangen ist, beraten seit Donnerstag auch die Granden der europäischen konservativen Parteien im portugiesischen Estoril über einen gemeinsamen Textvorschlag. EU-Konventspräsident Valéry Giscard d'Estaing wird Ende des Monats einen Entwurf präsentieren. Bemerkenswert am britischen Entwurf ist, dass er vor dem Begriff "Verfassung" nicht zurückschreckt. Inhaltlich versucht der Text aber, die EU als möglichst lose Vereinigung verschiedener Staaten festzuschreiben, und nicht als immer engere Union. Allerdings befürworten die Briten, die Innen- und Justizpolitik stärker auf die Gemeinschaft zu übertragen, Brüssel hier also mehr Kompetenzen zu geben. Die EU-Außenpolitik soll aber weiter von den Regierungen koordiniert werden, genauso wie die Wirtschaftspolitik. Als strategisch wichtigstes Organ stellt sich London den Europäischen Rat vor, in dem die Staats- und Regierungschefs vertreten sind. Der 76-seitige Dashwood-Entwurf, den das Londoner Außenministerium in Auftrag gegeben hatte, gilt als Vorwärtsverteidigung der Briten gegen die Strömungen im EU-Konvent, die eine stärkere Union festschreiben wollen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2002)