Der Zusammenbruch der niederländischen Regierung nach nicht einmal 100 Tagen zeigt erneut, wie schwierig das Regieren mit rechtspopulistischen Parteien ist. Auch die Europäische Union leidet unter diesem Problem.
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Sie gleichen einer großen Sippe. Die Ähnlichkeit ist vorhanden, und bis zu einem gewissen Grad gibt es auch so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft, um das von ihnen verwendete Vokabular zu bemühen. Gleichzeitig sind die Unterschiede zwischen den rechtspopulistischen beziehungsweise rechtsnationalen Parteien Europas erheblich. Gemeinsam ist ihnen die Eroberung der politischen Bühnen von Amsterdam bis Lissabon in atemberaubender Geschwindigkeit in den vergangenen zwei Jahren. Nun sind sie dabei, sie ebenso rasch und ziemlich ruhmlos wieder zu verlassen, wie der Bruch der Regierung in den Niederlanden nach nur 100 Tagen zeigt. Die Herstellung der Hegemonie der Rechten Europas, wie sie in der einschlägigen Literatur so gerne beschworen wird, scheitert offenkundig an der Mühsal des politischen Alltags des Regierens, in dem sich so mancher Führer samt Anhang über kurz oder lang selbst für die oberflächliche Masse der Mitläufer offenkundig entzaubert. Schüssel machte die Rechtspopulisten hoffähig Wie so oft in der jüngeren Geschichte war Österreich jenes Land, das den Beginn machte. Mit der Hereinnahme der FPÖ in die Regierung machte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine populistische Rechtspartei mit "radikalen Elementen" (zitiert lt. Weisenbericht vom September 2000; Anm.) in Europa hoffähig. Dass die EU-14 darauf mit Sanktionen geantwortet haben, ändert nichts an diesem Befund. Die diplomatischen Maßnahmen waren vielmehr der augenfällige Ausdruck dafür, dass durch die Regierungsbildung am 4. Februar 2000 ein europäischer Konsens gebrochen wurde. Dessen war man sich auch in einem hohen Ausmaß in Wien bewusst, wie die seinerzeitigen Aussagen des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider belegen. Er verglich die Führer der EU mit einem aufgeregten Hühnerstall, und sich selbst sah er als Fuchs, der nun sozusagen im Hühnerstall für Ordnung sorgen wird. VOn "Österreich zuerst" bis "eigen volk eerst" Das "Wiener Modell" wurde erfolgreich nach Europa exportiert. In Italien holte sich Silvio Berlusconi die Unterstützung der Rechtsnationalisten Umberto Bossi und Gianfranco Fini, um regieren zu können. In Frankreich kam Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl für die Präsidentschaftswahl und löste in der EU-Hauptstadt Brüssel einen Schock aus. In den Niederlanden kam die ausländerfeindliche Liste Pim Fortuyn in die Regierung, und in Belgien punktet Filip de Winter vom Vlaams-Blok mit Parolen wie "eigen volk eerst". Diese erinnert fatal an Haiders "Österreich zuerst" während des Ausländer-Volksbegehrens. In Dänemark wiederum ist Pia Kjaersgaard mit ihrer nationalistischen Volkspartei erfolgreich. Sie treibt den konservativen Regierungschef Fogh Rasmussen vor allen in der Ausländerfrage vor sich her. Kjaersgaard setzte "Kampf gegen die Überfremdung" im Regierungsprogramm durch. In Portugal regiert man nun ebenfalls à la Vienne. Regierungschef José Manuel Durao Barroso ist auf die Unterstützung des rechtsnationalen Paulo Portas angewiesen. Das Ende Doch auch beim "Ende der Wende" scheint Österreich wieder den Anfang zu machen. Seit die schwarz-blaue Koalition geplatzt ist, mehren sich auch die Zeichen des Niedergangs der radikalen Rechtsparteien in den anderen europäischen Staaten. Wobei der Regierungscrash in den Niederlanden nach nur 100 Tagen ein besonderes anschauliches Beispiel für den raschen Aufstieg und Fall der radikalen Rechten in Europa ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2002)