EU
EU-Vertrag von Nizza
Stimmen-Neugewichtung für Union mit 27 Mitgliedern
Brüssel - Auf dem EU-Gipfel in Nizza im Dezember 2000
beschlossen die Staats- und Regierungschefs der 15 Mitgliedstaaten
einen Vertrag, der die Institutionen der Gemeinschaft fit für die
Aufnahme neuer Länder machen soll. Nach hartem Ringen in fünftägigen
Verhandlungen verständigten sich die EU-Chefs auf eine Neugewichtung
der Stimmen im Ministerrat, die Neubesetzung des Europäischen
Parlaments und die Besetzung der EU-Kommission in einer Union mit 27
Mitgliedern. Der zunächst beabsichtigte große Wurf für Reformen der EU gelang
in Nizza allerdings nicht. Auf eine umfangreiche Ausweitung der
Mehrheitsbeschlüsse etwa konnten sich die EU-Chefs nicht
verständigen, da jedes Mitgliedsland darauf beharrte, in den jeweils
als national wichtig angesehenen Fragen die Einstimmigkeit zu
bewahren. So setzte Deutschland durch, in der Asyl- und
Migrationspolitik nicht überstimmt werden zu können. Auf Drängen
Großbritanniens blieb die Einstimmigkeit in Steuerfragen erhalten.
"Ein Kommissar pro Land"
Auch bei der künftigen Besetzung der EU-Kommission gelang keine
wegweisende Regelung. Zunächst hatten sich alle Mitgliedstaaten für
eine Verkleinerung des Brüsseler Gremiums ausgesprochen. Die
kleineren EU-Staaten setzten dann aber das Prinzip "ein Kommissar pro
Land" durch. Das bedeutet, dass die derzeit 20-köpfige Kommission
nach dem Ende der Erweiterung aus 27 Personen bestehen wird. Die
großen Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Italien und Spanien gaben ihren Anspruch auf einen zweiten Kommissar
von 2005 an auf.
Bei der Neugewichtung der Stimmen im Ministerrat waren die
Haltungen der Mitgliedstaaten ähnlich kompromisslos. Obwohl die
Bevölkerung des wiedervereinigten Deutschlands um rund 20 Millionen
Menschen größer ist als die Frankreichs, war Staatspräsident Jacques
Chirac nicht bereit, der Bundesrepublik mehr Stimmen im Rat
einzuräumen. So bleibt es dabei, dass Deutschland, Frankreich,
Großbritannien und Italien mit jeweils 29 Stimmen das größte Gewicht
haben.
Eine Kompensation erhielten die Deutschen bei der Neubesetzung des
Europäischen Parlaments. So bleibt die Zahl der Abgeordneten aus der
Bundesrepublik bei 99, die Frankreichs, Großbritanniens und Italiens
wurden dagegen von bislang 87 auf 74 reduziert.
Obwohl der Vertrag von Nizza noch nicht in Kraft getreten ist,
bereitet die EU bereits die nächste Reform vor: In Brüssel erarbeitet
ein EU-Konvent bestehend aus Vertretern der nationalen Parlamente und
Regierungen sowie des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission
derzeit den Entwurf für eine europäische Verfassung. Der Vorschlag
soll den Staats- und Regierungschefs Mitte kommenden Jahres vorgelegt
werden. Bis Ende 2003 soll die Reform dann unter Dach und Fach sein,
bevor der EU 2004 die ersten zehn Staaten beitreten sollen. (APA/AP)