Mensch
Gezielter Angriff auf Krebszellen
Boehringer Ingelheim startet Studien mit an Antikörper gekoppeltem Chemotherapeutikum
Wien/Ingelheim/New York - Gezielter Angriff auf Krebszellen:
Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim mit
Krebs-Forschungszentrum in Wien startet gemeinsam mit dem
US-Unternehmen ImmunoGen (Cambridge/Massachusetts) die Erprobung
eines potenziell revolutionären Krebsmedikaments: Ein an Antikörper
gekoppeltes Chemotherapeutikum. "Auf Grund des präklinischen Profiles setzen wir große Hoffnung in
diesen Wirkstoff und freuen uns, diesen Produktkandidaten in die
klinischen Studien führen zu können", sagte dazu Dr. Wolfgang J.
Rettig, Leiter des Bereiches Forschung und Entwicklung bei Boehringer
Ingelheim Austria.
Monoklonale Antikörper gegen Oberflächen-Protein
Der deutsche Konzern und ImmunoGen verfolgen dabei eine
interessante Kombination: In Wien wurden schon in den vergangenen
Jahren die Voraussetzungen für die ausgesprochen zielgenaue
Verabreichung von Krebsmedikamenten geschaffen. Bei Boehringer
Ingelheim wurden monoklonale Antikörper entwickelt, die ganz gezielt
das Oberflächen-Protein CD44v6 auf Tumorzellen ansteuern.
Mit dem Projekt der Wissenschafter wird auf Erkenntnisse
aufgebaut, mit denen im Jahr 1992 Dr. Peter Herrlich vom deutschen
Kernforschungszentrum in Karlsruhe und Dr. Margot Zöller vom
deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die "Wanderjahre" von
Krebszellen im Körper von Patienten aufklärten. Sie entdeckten auf
Zellen von Tumoren der Bauchspeicheldrüse das Molekül CD44 in
mehreren Varianten. Je nachdem, welche Variante gebildet wird, kommt
es früher oder später zur Absiedlung von Tochtergeschwülsten
(Metastasen).
"Humanisiert"
Die Boehriner Ingelheim-Wissenschafter erzeugten in Wien erzeugten
eine große Anzahl von Antikörpern gegen die CD44v6-Variante des
Eiweißes. Das geschah zunächst auf der Basis von Mäusen. Die beste
Variante wurde ausgesucht. Dann wurden die Antikörper "humanisiert",
um Abwehrreaktionen auszuschalten.
CD44v6-Moleküle finden sich auf den Zellen von Karzinomen, die aus
Zellen des so genannten Plattenepithels entstehen. Dazu gehören
Tumoren der Haut, des HNO-Bereichs und der Lunge. Die Moleküle finden
sich sowohl auf den Primärtumoren als auch auf Tochtergeschwülsten.
Die Ergänzung dazu bietet die zytotoxische Prodrug-Substanz DM1
von ImmunoGen. Das Unternehmen kann mehrere Chemotherapeutika auf
Antikörpern unterbringen. Sie sind außerhalb von Krebszellen
ungiftig. Erst in Krebszellen wird die Vorstufe ("Prodrug") zu dem
eigentlichen Zellgift umgewandelt. Bei der Substanz, die bei den
klinischen Studien jetzt an die Antikörper gekoppelt erprobt wird,
handelt es sich um Maytansin. Die Maytansinoide wurden ursprünglich
in Pflanzen entdeckt und zeichnen sich durch einen starken
zellschädigenden Effekt aus. (APA)