Ein 'Viennale'-Special gilt dem deutschen Film-Avantgardisten Klaus Wyborny
Redaktion
,
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Viennale-Direktor Hans
Hurch scheint sich die Pflege
der deutschen Nachkriegsavantgarde auf die Fahnen geschrieben zu haben: Nachdem
er letztes Jahr Heinz Emigholz
mit einer kleinen (viel zu
kleinen...), wohlverdienten
Hommage gewürdigt hat, wird
dieses Jahr auf mindestens genauso berechtigte Weise Klaus
Wyborny gefeiert, dessen
neues Werk
Sulla
auf der
Viennale seine Weltpremiere
erleben wird.
Die deutsche Nachkriegs-avantgarde, von Domnick bis
Emigholz via Wyborny,
Costard, Nekes, Kristl, und
Kahn & Leiner, hatte es (weltkino-)historisch, also von der
Höhe der Bleeker Street aus
gesehen, immer relativ
schwer: Primär, weil sie sich
nicht von der Geschichte
trennen wollte, zumindest
nicht um jeden Preis.
So hat es sich denn auch der
1945 geborene Wyborny, der
studierte theoretische Physiker und autodidaktische Filmemacher, der auf seine Weise vielleicht Heftigste, Wüsteste von allen, seit Dekaden
zwischen allen Kadern unbequem gemacht: Jeder Film ein
Koan über die Wesenheit des
Kinos, ein Versuch über das
Streben nach der beredten
Abwesenheit der Erzählung,
die De-/Re-/Konstruktion der
Geschichte.
Wybornys Kino fassen zu
wollen bedeutet, sich in Widersprüchen ergehen zu müssen: Zu jeder These gibt es eine Antithese, filmisch formgeworden in seiner Vorliebe
für gespaltene, zweigeteilte
(Anti-)Dramaturgien. Erst
stellt man eine Behauptung in
den Raum, dann zerlegt man
ihn, restrukturiert ihn, wodurch implizit eine weitere
Behauptung sichtbar wird -
perfekt exemplifiziert in
Die
Geburt der Nation
(1973), in
dem eine Griffithsche Geschichte, ihre Grammatik, mit
ihrem filmmateriellen Anderen - Outtakes, Negativbildern
etc. - konfrontiert wird.
Der Linearität - vom geraden Schnitt über den Horizont
als künstlerischer Maßgabe
bis zum Wesen des Anschlusses - wird eine Einheit des
Disparaten, verkörpert in den
Wyborny-typischen gekippten, knapp geschnittenen Bildern entgegengestellt. Geschichten sind für Wyborny
immer territorial, imperialistisch. Geschichten zu erzählen bedeutet, Erfahrungen in
ähnlicher Weise zu partialisieren und auszubeuten wie
die Ressourcen und Weiten
der Welt.
Wovon
Verlassen; verloren;
einsam; kalt
(1985-93) explizit
erzählt: Die Kolonialisierung
großer Teile Afrikas durch die
Briten wird hier gleichgesetzt
mit Beethovens Fähigkeit,
Massen von Künstlern, ihre
Klänge zu organisieren - wieder so eine Wybornysche
Selbstschuss-Ironie, da Wyborny letztendlich immer
wieder nach einer musikalischen Struktur in seinem
Schaffen strebt; doch wessen
Töne, Klänge, Harmonien? -
immer Wybornys, so wie er
immer wieder bei seinen Geschichten auf sein eigenes Leben, oder wie es hätte sein
können, zurückgreift. Siehe
etwa seine Pyramiden-Popperei in
Aus dem Zeitalter des
Übermuts (Dichtung und
Wahrheit)
(1981-94).
Am Ende geht es Wyborny
nie um die Zerstörung der Geschichte oder der Melodien,
sondern um die Zerstörung
selbst, den Akt des Bruchs, die
Bearbeitung wie Reflexion einer falschen Reinheit, einer
verkommenen Harmonie,
exemplifiziert eigentlich
schon ganz früh in
Das abenteuerliche, aber glücklose Leben des William Parmagino
(1969) mit seinen poetischen
Drecks- und Zerfallsschichtungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)
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