Frankfurt - Die EU-Kommission will einem Magazinbericht zufolge im November gegen Deutschland ein Verfahren wegen eines übermäßigen Haushaltsdefizits einleiten. In Brüssel werde die Defizitprognose der deutschen Regierung von 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für unrealistisch gehalten, berichtet das Magazin "Capital" vorab aus seiner jüngsten Ausgabe unter Berufung auf Quellen in der "Umgebung" von EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pedro Solbes. Im EU-Vertrag und im Stabilitäts- und Wachstumspakt ist vorgesehen, dass gegen ein Land ein Verfahren eingeleitet wird, wenn das Haushaltsdefizit die im Maastrichter Vertrag festgeschriebene Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigt. In Kreisen der EU-Kommission hieß es am Dienstag, die Kommission könne bereits auf der Grundlage eigener Prognosen ein Defizitverfahren einleiten und müsse dazu nicht die endgültigen offiziellen Zahlen abwarten. "Rechtliche Möglichkeit die Prozedur einzuleiten" "Wir haben die rechtliche Möglichkeit die Prozedur wegen zu hoher Staatsdefizite auf der Basis unserer eigenen Daten einzuleiten", erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag aus Kommissionskreisen. Die im November zu aktualisierende Prognose der EU sei ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung des Stabilitätspaktes, hieß es weiter. Im Rahmen eines solchen Verfahrens würde Deutschland innerhalb von drei Monaten Auflagen von den EU-Finanzministern erhalten. Sollten diese nicht erfüllt werden, kann der Ministerrat eine Geldstrafe von bis zu 0,5 Prozent des BIP verhängen. Viele Volkswirte gehen inzwischen davon aus, dass das deutsche Budgetdefizit in diesem Jahr mehr als drei Prozent des BIP betragen wird. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte am Montag gesagt, er wolle sich erst nach den Ergebnissen der Steuerschätzung im November festlegen, ob Deutschland unter der Drei-Prozent-Marke bleibt. Ihrer Ursprünglichen Defizitprognose hatte die Bundesregierung ein Wirtschaftswachstum von 0,75 Prozent für dieses Jahr zu Grunde gelegt. Am Wochenende hatte es aber aus Regierungskreisen geheißen, die Regierung gehe inzwischen nur noch von einem Wachstum von rund 0,5 Prozent aus. Blauen Brief knapp entgangen Im Frühjahr war Deutschland nur knapp einer Frühwarnung wegen eines zu hohen Defizits durch die EU-Finanzminister - dem so genannten Blauen Brief - entgangen. Damals hatte Eichel der Kommission zugesagt, den Gesamthaushalt bis 2004 auszugleichen. Inzwischen hat die Bundesregierung dieses Ziel aber auf 2006 verschoben. Gegen Portugal hat die EU-Kommission bereits ein Defizitverfahren angekündigt. Neben Deutschland haben auch Frankreich und Italien Probleme, ihren Konsolidierungskurs einzuhalten.(APA/Reuters)