Gemeinsames Sorgerecht - ja oder nein? Auch nach der Kindschaftsrechtreform 2001 verhallen die kritischen Stimmen nicht. Im Falle einer Regierungsbeteiligung der SPÖ strebt diese eine Änderung des Gesetzes an. Eine Plattform besteht bereits.
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Mit 1. Juli 2001 trat die gemeinsame Obsorge beider Elternteile für die Kinder nach der Scheidung in Kraft. Dieser von der Opposition als enorm erkannte Rückschritt wurde von der schwarz-blauen Regierung im Rahmen der österreichischen Kindschaftsrechtreform durchgeboxt. Damit ist die gemeinsame Obsorge eine automatische Konsequenz einer Scheidung, die nur mit einem Antrag auf Alleinsorge bei Gericht aufgehoben werden kann. Zwei Punkte erschienen dabei den BefürworterInnen maßgeblich:
  • Stärkung der rechtlichen Position des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils im Fall der Trennung, vor allem durch Ausbau der Informations- und Äußerungsrechte

  • Einbeziehung der Mediation als Konfliktregelungsinstrument im Bereich des Kindschaftsrechtes. D.h., dass bei einem Antrag auf Alleinsorge das Gericht verpflichtet werden soll, schlichtend zu wirken, eventuell mit Hilfe eines Mediators.

    Alleine diese beiden Punkte bezeugen, worum es geht: Die vaterrechtliche Position zu stärken, und sei es über den Umweg des Gerichts.

    Aufhebung eines Fortschrittes aus den 70er-Jahren

    Bis zur Familienrechtsreform 1978, die eine solche Regelung als obsolet, weil frauenfeindlich - Mann als Oberhaupt und Befehlhaber auch der nicht mehr intakten Familie - erkannte, hatte sie in Österreich bereits bestanden. Nun sollte sinnigerweise nach einer Scheidung nur ein Elternteil das Sorgerecht haben. Das von den VerfechterInnen ins Treffen geführte "Wohl des Kindes" geht daher vollkommen an der Realität vorbei, denn bekanntlich wären viele Ehepaare nicht geschieden, wären sie noch imstande, eine gemeinsame Lösung zu finden. Und jene, die miteinander reden können, brauchen dieses Gesetz ebenfalls nicht. Der einzige "Erfolg": ein neues Druck- und Unterdrückungsmittel für Frauen - das sollte es wohl auch sein. Denn Schwarz-blau geht es von jeher nur um Stärkung von Männerrechten auf Kosten jener von Frauen.

    Mit Deutschland nicht zu vergleichen

    Natürlich - wie könnte es anders sein - wies der Justizminister Behauptungen der Opposition, insbesondere der SP-Frauen, damit würde auf Mütter Zwang ausgeübt, entschieden zurück. Und auch die ÖVP-Frauensprecherin wies auf den "Erfolg dieser Regelung in Deutschland" hin, wo in 80 Prozent der Fälle kein Antrag auf Alleinsorge mehr gestellt werde und nur in fünf Prozent der Fälle das Sorgerecht strittig sei. Damit blieben den Kindern weitgehend beide Eltern erhalten.

    Der Vergleich mit Deutschland hinkt, wie auch SPÖ-Bundesfrauensekretärin Bettina Stadlbauer zu Beginn der Debatte bemerkte: "Wenn die Befürworter der gemeinsamen Obsorge die Kritiker mit dem Verweis auf Deutschland zu 'besänftigen' versuchen, übersehen sie geflissentlich einen 'kleinen Unterschied' zwischen der Rechtslage in Deutschland und der in Österreich." Anders als in Deutschland, wo der Richter in jedem Fall entscheiden muss, wird die gemeinsame Obsorge in Österreich als Regelfall gehandhabt.

    Gemeinsame Obsorge geht an der Realität vorbei

    Für die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer liegen die Gefahren der gemeinsamen Obsorge für die Frauen auf der Hand: neben der unnötigen Verlängerung der Verfahrensdauer, bestehe das größte Problem darin, dass die gemeinsame Obsorge als Druckmittel gegen die Frauen verwendet wird. Frauen würden der Regelung desöfteren nur deshalb zustimmen, weil sie die Scheidung einfach schnell hinter sich haben wollten oder sie sonst auf den Unterhalt verzichten müssten.

    Und auch der Kinder- und Jugendpsychiater Berger sieht das Problem realistisch. Die Befürwortung der gemeinsamen Obsorge durch Johannes Berchtold von der Männerabteilung des Bundesministeriums sei wegen der "partnerschaftlichen Betreuung der Kinder ... wünschenswert", goutierte dieser nur mit einem müden Lächeln: "Selbstverständlich ist dies wünschenswert", so Berger, "aber eben leider nicht Realität". Denn schon in den aufrechten PartnerInnenschaften entwickle sich der Prozess der Einbindung der Väter in die Erziehung nur sehr schleppend. (dabu)