In der aktuellen Diskussion um das Asylgesetz wird vielfach behauptet, dass die seit 1. Oktober 2002 geltende neue Richtlinie des Innenministeriums für die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger Asylwerber zur EU-Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten in Widerspruch steht.Dabei wird die Lage so dargestellt, dass die EU-Richtlinie schon in Geltung und bis 2004 jedenfalls umzusetzen sei. Das ist in dieser Form allerdings nicht richtig. Wenngleich es zwar bereits eine politische Einigung gegeben hat, so ist die EU-Richtlinie formell noch nicht beschlossen und damit natürlich auch noch nicht ordnungsgemäß kundgemacht. Es gibt nach wie vor Vorbehalte Deutschlands sowie Änderungsbestrebungen Großbritanniens. Geltendes Recht Es kann daher bestenfalls von einem möglichen Inkrafttreten bis Ende 2004 ausgegangen werden. Dieser Zeitraum ermöglicht den Mitgliedstaaten einerseits, entsprechende Anpassungen vorzunehmen, und andererseits die weiteren Harmonisierungen der EU-Bestimmungen (z. B.: Asylverfahren). Bis zu diesem Zeitpunkt - zumindest nicht vor 2004 - gilt jedoch österreichisches Recht. Und nach dem derzeit geltenden Recht in Österreich kann Bundesbetreuung gewährt werden, Rechtsanspruch darauf besteht jedoch keiner. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Richtlinien-Vorschlag zur Festlegung von Mindestnormen auch Einschränkungen oder den Entzug der im Rahmen der Aufnahmebedingungen gewährten Vorteile wie etwa bei Missachtung von Melde- und Auskunftspflichten oder bei groben Verstößen gegen die Vorschriften der Unterbringungszentren vorsieht. Bei den Bestrebungen der EU zur Harmonisierung des Asylrechts in Europa handelt es sich letztlich nicht nur um eine einzige Norm, sondern um mehrere Richtlinien (bzw. Verordnungs-)Vorschläge, die derzeit in den verantwortlichen Gremien diskutiert und erarbeitet werden. Unter anderem soll auch das Asylverfahren harmonisiert werden. Hier gibt es Bemühungen zur Schaffung einer gemeinsamen Liste von "sicheren Ländern" zur Verhinderung des Asylmissbrauchs, die von Österreich unterstützt werden. Die Einordnung als sicheres Land hätte zur Folge, dass es sich bei einem Fremden aus diesem Land nicht um einen Asylwerber, der Schutz vor Verfolgung sucht, sondern um einen illegalen Migranten handelt, dessen Asylgrund unbeachtlich ist. Dieses Modell ist im Übrigen geltendes Recht in Deutschland. Intensvive Gespräche Die bereits angesprochenen Mindestnormen für eine einheitliche Grundversorgung von Asylwerbern in den EU-Mitgliedstaaten sehen eine Versorgung durch den Staat (Bund, Länder, Gemeinden) vor. Dies ist der Hintergrund für die intensiven Gespräche zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel des Abschlusses einer Vereinbarung, durch die eine den EU-Vorschlägen entsprechende Grundversorgung sichergestellt wird. Denn jene Asylwerber, denen - aus welchen Gründen immer - keine Bundesbetreuung mehr zuteil werden kann, haben Anspruch auf Unterstützung nach den jeweiligen Sozialhilfegesetzen der Länder. Grundversorgung würde nach diesem Modell tatsächlich allen Asylwerbern zukommen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Betreuung das Asylverfahren unterstützt. Missbrauchsfälle werden von der Grundversorgung wohl nicht erfasst sein. Die Gespräche zwischen Bund und Ländern zur Sicherstellung einer Grundversorgung bleiben von der seit 1. Oktober geltenden Richtlinie des Innenministeriums völlig unberührt. Denn die Richtlinie zur Bundesbetreuung wurde erlassen, weil das Ministerium die vorhandenen Kapazitäten jenen Asylwerber zur Verfügung stellen will, die tatsächlich Schutz vor Verfolgung brauchen. Österreich hat heute im EU-Vergleich bereits jetzt die relativ höchste Zahl an Asylanträgen, und diese Zahl steigt weiter an. Belastungsgrenze Österreichs Asylwerberbetreuung - ob nun die staatliche oder jene durch nicht staatliche Organisationen - ist damit an der Grenze der Belastbarkeit. Jenen Menschen, die tatsächlich von Verfolgung bedroht sind, muss aber rasch und unbürokratisch Asyl und Betreuung zuteil werden. Österreich ist ein Asylland und bietet Schutz vor Verfolgung. Österreich kann aber nicht Migranten, die aus asylfremden Motiven Zuwanderungsregelungen umgehen wollen, aufnehmen. Die Richtlinie des Innenministeriums nimmt daher Menschen jener Länder von der Bundesbetreuung aus, in denen nach menschlichem Ermessen keine Verfolgungssituation vorliegt, wobei Minderheiten und persönliche Einzelschicksale stets berücksichtigt werden. Die neue Richtlinie des Innenministeriums trifft Differenzierungen, die sich an den Erfolgsaussichten eines Asylantrages orientieren, ausschließlich auf einer sachlichen Ebene. Es liegt daher auch keine Diskriminierung von Ausländern untereinander vor. Im Übrigen bleibt auch das Asylverfahren von der Richtlinie des Innenministeriums völlig unberührt. Sie richtet sich ausschließlich an die Vollzugsorgane der Bundesbetreuung, aber nicht an jene, die das Asylverfahren führen. Selbstverständlich erfolgen individuelle Prüfungen weiterhin in jedem einzelnen Fall, auch bei jenen Asylwerbern, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen sind und deren Asylanträge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mangels Vorliegen von Asylgründen - entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen - abzuweisen sind. Das Innenministerium hat seine Bestrebungen, im Bereich der Betreuung für mehr Effizienz und höhere Kapazitäten zu sorgen, wesentlich intensiviert. So ist es in den letzten beiden Jahren gelungen, die Zahl an Betreuungsplätzen von rund 3000 auf über 7000 mehr als zu verdoppeln. Diese Bemühungen gestalten sich in letzter Zeit leider zunehmend schwieriger, da Versuche zur Schaffung von neuen Plätzen in Pensionen und Gasthöfen vielfach am lokalen Widerstand scheitern. Österreich benötigt ein rasches, effizientes, menschenrechtskonformes und der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechendes Asylverfahren im europäischen Einklang. Österreich wird selbstverständlich seinen Verpflichtungen zur zeitgerechten Umsetzung beschlossener Richtlinien der EU nachkommen und daher auch nach Beschluss einer Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten die Vorarbeiten zur Umsetzung zügig angehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.10.2002)