Eines kann man für die Zeit nach dem 24. November schon jetzt sagen: Die Koalitionsverhandlungen zwischen Volkspartei und Freiheitlichen werden viel schwieriger werden als nach der letzten Nationalratswahl. Es liegt an den Wählerinnen und Wählern, es entweder zu diesen Schwierigkeiten erst gar nicht kommen - oder sich von ihnen nicht abschrecken zu lassen. Ziehen sie das zweite vor, dann keine Angst: Nichts wird sich als so schwierig erweisen, dass es Wolfgang Schüssel und wen auch immer in der FPÖ von einer Fortsetzung der schwarz-blauen Koalition abhalten könnte. Dauert es halt ein paar Wochen länger, bis das neue Regierungsübereinkommen steht. Die einzig wirklich wesentliche Frage wird sein - und damit zeigen die Partner, dass sie aus den letzten drei Jahren ihre Lehren gezogen haben: Sollen die Bedingungen, wann einer der beiden die Koalition sprengen und Neuwahlen ausrufen darf, vom Bundespräsidenten in die Präambel hineingeschrieben oder sollen sie unter Allfälliges im Koalitionspakt stehen?Seit Anfang 2000 sind Volkspartei und Freiheitliche einander näher gekommen, sie kennen einander viel besser als vorher. Da verwundert es nicht, dass sie einander weniger denn je über den Weg trauen. Aber gibt es bessere Voraussetzungen, konstruktiv für Österreich zusammenzuarbeiten, als gesundes Misstrauen in den Partner? Man lasse sich in diesen Wahlkampfwochen nicht von Nebengeräuschen täuschen, auch dann nicht, wenn sie aus Kärnten kommen. Das Hauptgeräusch verkündet wie in den letzten drei Jahren die Botschaft: Die Wende soll leben. Heute sagt der Freiheitliche, der das erste Regierungsabkommen mit Wolfgang Schüssel unterzeichnet hat (im Wirtschaftsblatt), der Bundeskanzler sei ein Mann mit zwei Gesichtern: Freundlich, wenn er etwas will, "brutal und herzlos", wenn er parteitaktische Ziele hat. Na und? Gewusst hat er das schon früher. Denn hätte Schüssel für seine parteitaktischen Ziele nicht brutal und herzlos die Wähler beschwindelt, als er von Opposition sprach, sollten sie ihn auf den dritten Platz setzen, wäre es zu dieser Unterzeichnung gar nicht gekommen. Damals haben ihn an Wolfgang Schüssel solche Charakterzüge nicht gestört, weil sie ihm willkommen waren - und vom eigenen Charakter her vertraut. Nein, nur wegen ein wenig Brutalität und Herzlosigkeit wird niemand daran denken, dieses wunderbare Wendeprojekt zu gefährden, da muss man persönliche Empfindlichkeiten zurückstellen, schon gar, wenn nicht einmal mehr ein gestandener Deutschnationaler wie Lothar Höbelt sie mit seiner Stimme honorieren will. Zum Glück ist man diesbezüglich auch nicht auf Vermutungen angewiesen, die Absichten werden trotz mancherlei theatralisch erzeugter Spannungen offen gelegt. Mathias Reichhold setzt im Zentralorgan seiner Partei auf die Fortsetzung der blau-schwarzen Koalition nach der Nationalratswahl, damit die FPÖ auch in Zukunft "Reformmotor für Österreich" sein könne. Und Schüssel will Erster werden, um Rot-Grün um jeden Preis zu verhindern. Na, auf den Preis wird man sich doch einigen, mag es auch gegensätzliche Auffassungen in so unwesentlichen Fragen wie EU-Osterweiterung oder Steuerreform, Asylpolitik oder Abfangjäger geben, deren jeweilige Unverrückbarkeit in diesen Wochen zwecks Wählerfang stark übertrieben wird. Und gälte es selbst, Gaugg doch noch in den Hauptverband zu zwingen - auch daran würde die Wende nicht scheitern. Das unterscheidet die kommende Nationalratswahl in so erfreulicher Weise von der vorigen: Diesmal wissen wir schon vorher, was wir kriegen.(DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.10.2002)