Leicht gemacht hat es sich der US-Kongress bestimmt nicht: Die Ermächtigung zur Gewaltanwendung gegen den Irak für Präsident George W. Bush fiel zwar überzeugend aus, wurde aber alles andere als euphorisch gegeben. Das macht die Vollmacht für Bush gegenüber den Amerikanern und Amerikanerinnen jedoch nicht weniger wertvoll, sondern gibt ihr eher noch mehr Gewicht: Wenn Parlamentarier, die weinend an Vietnam erinnern, den Weg für den Krieg frei machen, dann muss die nationale Bedrohung schon sehr groß sein. Oder zumindest das Gefühl der nationalen Bedrohung. Dass dieses Gefühl, das Realisten in den USA (etwa viele Militärs) und beinahe der ganze Rest der Welt nicht nachvollziehen können, einen ganz konkreten Auslöser hat, sprach Bush zuletzt in seiner Rede in Cincinnati zu Wochenbeginn ganz klar aus: Die Bedrohung, die vom Irak ausgeht, ist heute anders als früher, weil der 11. September 2001 dazwischen liegt. Bushs Erfolg in der Volksvertretung ist aber nicht nur für die "domestic consumption" wichtig - worauf Präsidentensprecher Ari Fleischer hinwies, als er von einer "starken Botschaft" an den UN-Sicherheitsrat sprach. Das höchste UN-Gremium muss jetzt schlicht schauen, dass es überhaupt noch im Spiel bleibt: Der Alleingang der USA, den sich Bush ja immer als Option offen gehalten hat, ist nun keine Idee mehr, die nur ein paar Kriegsapostel rund um den Präsidenten vertreten. Die Auflage des Kongresses - mehr ein Appell als eine einklagbare Forderung -, dass Bush sich um internationalen Konsens bemühen soll, wird dieser angesichts des zähen Zustandekommens der Autorisierung trotzdem ernst nehmen. Besonders Demokraten erteilten sie auch als mögliches Mittel, durch Druck auf den Sicherheitsrat den Krieg noch zu verhindern. Der Resolutionstext der USA, wie er im Sicherheitsrat vorliegt, hat dennoch wenig Chancen auf Zustimmung, nicht nur wegen der Androhung von sofortiger Gewalt, die die Franzosen durch eine Zwei-Resolutionen-Lösung ersetzt haben wollen, sondern auch wegen konkreter Vorstellungen der USA, die auf eine Quasi-Besetzung des Irak zum Zwecke seiner Abrüstung hinauslaufen würden - US-Truppen, die die UN-Waffeninspektoren begleiten, die Möglichkeit, jederzeit militärische Sperrzonen zu errichten und anderes mehr. Um eine Resolution zustande zu bringen, werden sich also beide Seiten bewegen müssen: Unwahrscheinlich ist es allerdings eher, dass Bush dies noch vor den Kongresswahlen am 5. November tut. Bis dahin sind es noch drei lange Wochen - die aber angesichts des Auftrags um Bemühung um Konsens zu überstehen sein müssten. Dann wird man sehen. Aber wenn andererseits die Pläne, die am Freitag in der New York Times zu lesen waren, der Realität entsprechen, dann ist die Option "Abrüstung des Irak durch die UNO" bei den US-Strategen bereits ausgelaufen: Eine vorübergehende amerikanische Militärregierung soll nach dem Sturz von Saddam Hussein installiert werden - das ist nicht durch einen bloßen internen Putsch zu erreichen, dazu muss man hineingehen. Ob die USA dann aber wirklich die Nerven haben, Kriegsverbrecherprozesse zu beginnen, die sich auf den Krieg Irak - Iran (1980-88) beziehen, wird man sehen. Im neuesten Irak-Waffenbericht der CIA fallen alle Einsätze von verbotenen chemischen Waffen in die Zeit dieser geheimdienstlichen und wohl auch militärischen Zusammenarbeit zwischen Washington und Bagdad.(DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.10.2002)