Es wäre in Zeiten großer Schwierigkeiten für Telekomwerte an den Börsen nicht weiters bemerkenswert: Am Donnerstag stürzte der Kurs der Telekom Austria um sieben Prozent ab, obwohl die Wiener Börse ihren Stand an diesem Tag behaupten konnte. Der Grund lag nicht in irgendwelchen neuen Schreckensmeldungen - sondern in einem Papier der SPÖ, in dem von einem Stopp des Telekom-Verkaufs die Rede ist. Unversehens gerät so der weitere Privatisierungsfahrplan zum Wahlkampfthema. Es wird die höchst ideologische Frage gestellt, ob die Republik Eigentümerin einer Fluglinie, eines Stahlunternehmens und des Telefon-Marktführers bleiben soll. Karl-Heinz Grasser, derzeit noch der Lieblingssteuererhöher der Österreicher, hat stellvertretend für das schwarz-blaue Kabinett mit einem klaren "Nein" geantwortet. Wird das VP-FP-Experiment fortgesetzt, soll bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode alles verkauft werden, was unter dem Dach der Industrieholding ÖIAG vor dem sauren Regen feindlicher Übernahmeversuche einigermaßen geschützt ist. Der Wende-von-der-Wende-Herausforderer Alfred Gusenbauer setzt der reinen Marktlehre ein pragmatisches, aber schwammiges "Ja, aber" entgegen. Der SP-Spitzenkandidat ist für Staatseigentum, wo es um die Grundversorgung geht (Post, Telekom), aber ebenso für den Verkauf des Familiensilbers, wo es sich um reine Industriebeteiligungen handelt (Voest, Böhler). Auch einer Beteiligung von Privaten am Bahnpostbus steht er prinzipiell positiv gegenüber. Der wirtschaftspolitische Antidogmatismus Gusenbauers ist löblich, spricht vielen Sozialdemokraten aber nicht gerade aus der Seele. Rote an der Basis, aber auch altgediente Abgeordnete wollen etwas ganz anderes. Sie lehnen jede weitere Privatisierung ab und wollen bei günstigem Wind eher Staatsanteile aufstocken, als weitere Verkäufe tätigen. In Zeiten der Ö3-tauglichen Sager wird Gusenbauers Position, die es allen recht machen möchte, schwer zu transportieren sein. Er hat zwar Recht, wenn er sagt, dass ein staatlicher Kernaktionär bei industriellen Großbetrieben genauso den Standort absichern wird wie ein langfristig denkender privater. Und er hat auch damit Recht, dass Privatisierungen nur von Fall zu Fall und ohne Zeitdruck zu entscheiden sind - gerade in turbulenten Börsenzeiten. Vielleicht sollte der Parteichef seine Funktionäre darum öfter an das Voest-Debakel früherer Jahrzehnte erinnern, das damals 80 Milliarden Schilling gekostet hat. Eine Summe, die sich auch in Euro abschreckend genug darstellen lässt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 12.10.2002)