IT-Business
E-Mail-Flut behindert Arbeit - täglich werden 31 Milliarden E-Mails versendet
Firmen führen "E-Mail-freien Freitag" ein - Filterprogramme noch zu schwach
In der Nestlé-Schokoladenfabrik im britischen York
bleiben die elektronischen Postfächer freitags leer. Für eine
Arbeitsabsprache oder die Verabredung zum gemeinsamen Mittagessen
greifen die Beschäftigten zum Telefon. Oder sie gehen in guter alter
Manier persönlich vorbei. E-Mails sind jedoch tabu. "Den E-Mail-
freien Freitag haben wir vor einem Jahr eingeführt", sagt
Unternehmenssprecherin Marie Fagan. Denn die Kommunikation klappe
viel besser im direkten Kontakt - egal ob hausintern oder mit Kunden.
Die Mitarbeiter seien von der Regel begeistert.31 Milliarden E-Mails
31 Milliarden E-Mails landen Tag für Tag in den elektronischen
Postkästen der 500 Millionen Menschen weltweit mit Internetzugang.
"Diese Masse übersteigt unsere Möglichkeiten, erfolgreich durch die
Informationsflut hindurch zu navigieren", sagt Mark Levitt vom US-
Marktforscher
IDC
, der sich mit dem Thema E-Mail-Flut beschäftigt
hat.
Effizienz leidet
Die Effizienz der Arbeit leidet: Zu viel Zeit geht beim Lesen und
Schreiben von E-Mails drauf. Statt eines kurzen Telefonats gehen
Dutzende von Mails über die Leitungen. "40 Prozent der deutschen
Führungskräfte beschäftigen sich täglich mehr als eine Stunde mit
ihrer elektronischen Post", sagt Jörg Forthmann vom
Marktforschungsinstitut
Mummert Consulting
. Geplagte Mitarbeiter
gehen dazu über, Mails einfach zu ignorieren: Bei einem Drittel der
Banken und Versicherungen in Deutschland blieben elektronische
Kundenanfragen unbeantwortet liegen, so die Analyse von Mummert.
Vorteil: Zeitversetzte
Kommunikation
Das ist die Kehrseite des Siegeszuges der E-Mail, die den Büro-
Alltag revolutioniert hat. Um Botschaften schnell und nahezu
kostenlos um den Globus zu schicken ist der elektronische Brief heute
nicht mehr weg zu denken. "Ein riesiger Vorteil ist die zeitversetzte
Kommunikation. Im Gegensatz zum Telefon, müssen nicht beide
Gesprächspartner gleichzeitig kommunizieren", erklärt Christoph
Huneke vom
Deutschen Multimedia Verband
(dmmv). Per E-Mail kann man
darüber hinaus einen Brief problemlos an einen großen Adressatenkreis
schicken, Dokumente und andere Anlagen einfügen.
E-Mail-freie
Freitag
Verzichten will daher niemand auf E-Mails. Der E-Mail-freie
Freitag bei Nestlé hat zwar seine Nachahmer gefunden - etwa bei der
Stadtverwaltung Liverpool, ist aber keine Vorgabe für den Schweizer
Konzern. "In den meisten Niederlassungen versuchen die Mitarbeiter
per Delegation, mit überlaufenden Postfächern umzugehen, und
Sekretärinnen sortieren die elektronische Post vor", sagt Hans-Jörg
Renk aus der Nestlé-Zentrale.
Leicht zu bedienende
Filtertechnologien
"Was wir brauchen, sind neue, leicht zu bedienende
Filtertechnologien", fordert hingegen Marktbeobachter Levitt. Eine
Software müsste wichtige von zweitrangigen Nachrichten unterscheiden
können und unerwünschte Mails sofort löschen. Wie sie genau arbeiten
soll, kann er nicht erklären. Schon heute zweifeln viele Menschen am
Nutzwert von Filtern gegen unerwünschte Werbe-E-Mails (Spam): Viel zu
häufig werden harmlose Nachrichten gelöscht, weil sie versteckt
indexierte Wörter enthalten.
Weniger Spam
Vielen Menschen wäre aber in der Tat geholfen, wenn sie von
Werbemüll verschont blieben. "Zwei von drei E-Mails in Deutschland
sind Spam", sagt Torsten Schwarz vom Verband der deutschen
Internetwirtschaft (eco) in Köln. Weltweit entstehen durch
unerwünschte E-Mail-Werbung nach Schätzungen der Europäischen
Kommission Kosten von zehn Milliarden Euro. "Die Arbeitszeit für das
Öffnen und Wegschmeißen von unerwünschten E-Mails lässt sich gar
nicht berechnen", sagt Schwarz.(apa)