Als ginge es um einen "letzten" Aufstand gegen ein totalitäres Regime, werden derzeit jene Redakteure des ORF allseits belobigt, die die Kulturschienen am Küniglberg gefährdet sehen. Nachdem sie, durchaus couragiert, in einer Resolution die Programmlinie von Generaldirektorin Monika Lindner kritisiert hatten, bietet ihnen sogar Burg-Chef Klaus Bachler seine Bühne als Podium für Diskussionen an - "bevor der ORF gänzlich zum 'Verdummungsinstrument' verkommt". Das ist alles richtig und wichtig, nur: Natürlich hätte diese Diskussion schon vor Jahren beginnen müssen - etwa, als Gerhard Zeiler damit begann, den ORF mit den deutschen Kabelsendern gleichzuschalten. Als klar war, dass die einst so vorbildhaften Kunst-Stücke zur Kabarettschiene herabgewürdigt werden. Als die Kulturberichte der Zeit im Bild zunehmend Seitenblicke -Charakter annahmen. Oder als der Treffpunkt Kultur (moderiert von Karin Resetarits, die jetzt plötzlich alarmiert ist) eine der uninspirierteren Sendungen des deutschen Sprachraums war. Wenn man damals Einwände äußerte, dann erhielt man darauf entweder professionell-zynische Antworten von Wolfgang Lorenz oder pragmatische Abwiegelungen durch die (plötzlich auch alarmierte) Kulturchefin Haide Tenner. Der daraus resultierende Fatalismus, in dem anscheinend allen im ORF das Ausmaß der wahren Verheerung nicht klar war - er war auch Monika Lindner in Fleisch und Blut übergegangen. Anders ist etwa die Einstellung der Kunst-Stücke nicht erklärbar (die etwa auch von Haide Tenner als legitim befunden wurde). Jetzt aber wird endlich diskutiert, notfalls auch im Burgtheater: Und dann vielleicht nicht nur über den ORF, sondern gleich über den Status quo der Kultur in diesem Land: Für ihn ist der Aufstand am Küniglberg nur eines von vielen Symptomen. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2002)