Wirtschaft
Veredelte Milchprodukte für Osteuropa
Heimische Molkereien hoffen auf Exportchancen nach EU-Erweiterung
Wien - "Die bevorstehende
EU-Erweiterung bringt für die
österreichische Milchwirtschaft große Exportchancen."
Janos Vas, Milchexperte bei
der Agrarmarkt Austria
(AMA), zerstreut Bedenken,
dass mit der Aufnahme der
Kandidatenländer in die EU
eine Milchwelle über Österreich schwappen könnte.Nachholbedarf
In den ersten fünf Jahren
nach dem Beitritt hätten diese Länder großen Nachholbedarf, was die Eigenversorgung betreffe. Gleichzeitig werde mit dem steigenden Lebensstandard auch die Nachfrage nach Milchprodukten -
vor allem nach veredelten wie
etwa Joghurt oder Wellnessdrinks - zunehmen, so der
AMA-Experte. Davon könnten
die heimischen Unternehmen
durch steigende Exporte profitieren. Auch den Milchbauern könne "nichts passieren". Immerhin regle die gemeinsame
Marktorganisation den Milchpreis für die Lieferanten - und
das bis zum 31. März 2008.
"Eine weitere Herausforderung für die Milchverarbeiter
in den Beitrittsstaaten liegt darin, eine tragfähige Marke zu
entwickeln und diese in den
Köpfen der Konsumenten zu
verankern - das braucht Zeit",so Vas. Weniger Probleme hätten diese Staaten bei den Qualitätsstandards. Diese seien
durch Unterstützungsprogramme wie "Sapard" oder
"Phare" bereits sehr nahe an
das EU-Niveau herangeführt
worden.
Auch Dieter Bockhorn,
Sprecher der größten heimischen Molkerei Berglandmilch, sieht Chancen durch
die EU-Erweiterung. In einer
ersten Phase könne man sicher neue Absatzmärkte generieren. Allerdings: "Die Frage
ist, wie nachhaltig diese
Chance ist."
Marktbeobachtung
Die Berglandmilch sei ständig dabei, diese Märkte zu
sondieren. Ein Engagement
sei aber nur dann sinnvoll,
wenn man 100 Prozent eines
Unternehmens erwerben
könne. "Kommt es dazu nicht,
versuchen wir, mit Handelspartnern eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen", so Bockhorn.
Die Absiedelung von Betriebsstätten in den Osten sei
für die Berglandmilch "keine
Alternative", dafür habe man
zu viel in die Produktionsstandorte investiert. Je niedriger allerdings der Automatisierungsgrad bei Molkereien,
desto wahrscheinlicher sei es,
dass diese ein Abwandern in
die Reformstaaten ins Auge
fassen würden.
Klar sei, dass die österreichische Milchwirtschaft im
internationalen Vergleich
"nicht groß klotzen, nur etwas
mehr kleckern" könne. Denn
Österreich steuert mit 2,6
Millionen Tonnen Milch nur
etwa 2,5 Prozent der gesamten
EU-Milchproduktion bei - die
heimischen Molkereien sind
auf europäischer Ebene bestenfalls größere Zwerge.
Innovationszentrum
Trotzdem fühlt sich auch
die niederösterreichische
Nöm, Nummer zwei in Österreich, fit für die Osterweiterung. Immerhin hat sie der
neue Minderheitseigentümer
Parmalat (25 Prozent plus eine
Aktie) als Innovationszentrum
für Zentral- und Osteuropa
auserkoren.
Um die Stellung im europäischen Wettbewerb weiter
zu stärken, kann sich die Nöm
nun sogar Kooperationen mit
dem ewigen Konkurrenten Berglandmilch vorstellen. Vor
allem in den Bereichen Einkauf, Transport und Logistik
soll zusammengearbeitet wer-
den, sagt Erwin Hameseder,
Generaldirektor der Nöm-
Hauptaktionärin Raiffeisen-
Holding NÖ-Wien. Einsparungspotenzial laut Hameseder: "Einige Millionen Euro". (Robert Zwickelsdorfer, DER STANDARD, Printausgabe 8.10.2002)