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Luxemburg - Frankreich fordert die Euro-Partnerländer offen heraus: Finanzminister Francis Mer stemmte sich am Dienstag in Luxemburg gegen den Beschluss der Eurogruppe, die nationalen Budgetdefizite ab 2003 jährlich um 0,5 Prozentpunkte des BIP zu verringern. Gleichzeitig stellten die EU-Finanzminister "ein substanzielles Risiko" fest, dass Deutschland heuer die Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspakts verletzen könnte. Das Nulldefizit für die öffentlichen Haushalte in der EU soll vorerst weiter für das Jahr 2004 angepeilt werden. In der Erklärung, die die Euro-Finanzminister am frühen Dienstagmorgen nach mehrstündigem Streit in Luxemburg verabschiedeten, war die von EU-Währungskommissar Pedro Solbes in die Diskussion gebrachte Verschiebung des Budgetziels auf 2006 nicht enthalten. "Alle außer einem" Die Länder, die noch keinen "nahezu ausgeglichenen Haushalt" vorweisen können - Deutschland, Frankreich, Portugal und Italien -, sollen ihr konjunkturbereinigtes Defizit um jährlich mindestens 0,5 Prozentpunkte des BIP reduzieren, heißt es in der Erklärung. Der nächste Satz des Textes enthält Sprengstoff: "Alle Minister außer einem akzeptieren, dass dies nicht später als mit dem Budget für das kommende Jahr beginnt." Der Minister, der sich in der Nacht gegen seine elf Kollegen stellte, war der Franzose Mer. Nach dem Treffen wurde er auch vor den Medien deutlich: Sein Land könne erst 2004 sein konjunkturbereinigtes Defizit entsprechend reduzieren. "Wir haben andere Prioritäten", betonte er und nannte als Beispiel die Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Sein Schluss: "Noch wird die Haushaltsplanung in den Mitgliedstaaten gemacht." Blauer Brief Diese Haltung traf auf nicht weniger klare Worte bei seinem österreichischen Kollegen Karl-Heinz Grasser: "Ich erwarte, dass die EU-Kommission einen blauen Brief an Frankreich schickt", sagte er. Mit Blick auf die noch beim EU-Gipfel im Juni in Sevilla bekräftigte Zusage Frankreichs, bis 2004 ein nahezu ausgeglichenes Budget vorzulegen, sagte Grasser: "Jacques Chirac und Francis Mer sollten sich selbst einmal überlegen, was ihr Wort noch wert ist." Mit dem "0,5-Prozent"-Kompromiss zeigte sich Grasser im Übrigen zufrieden. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Printausgabe 9.10.2002)