Endlich haben SPÖ und Grüne ein Thema gefunden, über das sie herzhaft streiten können. Es geht um Verkehrspolitik, und dieses Thema ist flugs - sieben Wochen vor der Wahl - zur Koalitionsfrage erhoben worden. Die beiden Noch-Regierungsparteien kommentieren den Zwist mit Begeisterung.

Es ist mehr als ein Scheingefecht, das sich zwischen Rot und Grün abspielt. Die SPÖ ist nervös, weil sie laut jüngsten Umfragen an den möglichen Koalitionspartner verloren hat - was für beide nicht hilfreich sein kann, wenn es darum geht, die schwarz-blaue Mehrheit zu brechen. Die Partei von Alexander Van der Bellen hält zwar bei einem Höchststand. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass es gerade den Grünen schwer fällt, positive Umfrageergebnisse auch in Wahlresultate umzusetzen.

Das Thema, um das hier so verbissen gestritten wird, ist für Österreich tatsächlich lebenswichtig. Es droht ein gigantischer Verkehrsinfarkt, vorangetrieben auch durch die bevorstehende Osterweiterung, und die bisher getroffenen Maßnahmen werden nicht ausreichen, dieses Problems Herr zu werden.

Die Grünen fordern zwar keinen generellen Stopp des Autobahnausbaus, wie plakativ kolportiert wird, sehen die Prioritäten aber woanders: im zügigen Ausbau des Schienennetzes. Die SPÖ bekennt sich zwar ebenfalls zu einer Sanierung der Verkehrsinfrastruktur (an dessen erbärmlichem Zustand sie übrigens größtenteils selbst schuld ist), nennt bei konkreten Projekten aber immer nur Bereiche im Straßenbau.

Die Lösung wird in der Mitte liegen müssen. Deshalb ist es auch spannend, SPÖ und Grünen beim Streiten zuzusehen. Die Positionierung wird manchem Wähler die Entscheidung leichter machen. Die Unerbittlichkeit, mit der sich Rot und Grün in dieser Frage gegenübertreten, hilft aber den anderen Parteien. (DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2002)