Linz - Die beiden finalen Wochenendereignisse des diesjährigen Brucknerfestes standen in enger Beziehung zueinander: Anton Bruckner war bei der Uraufführung von Parsifal im Juli 1882 in Bayreuth dabei gewesen - wenig später starb der verehrte Meister, und Bruckner setzte ihm mit dem Adagio der 7. Sinfonie ein beeindruckendes Denkmal. Beide Werke waren nun in exemplarischen Aufführungen in Linz zu hören.

Dennis Russell Davies, der nun auch an der Spitze des Musiktheatervereins Druck in Richtung Theaterneubau macht, zeigte 120 Jahre später auch ohne Inszenierung und Bühne, wie kurzweilig Richard Wagners langes mystisches Weihespiel sein kann. Weihevoll zelebrierte er mit dem blendend disponierten Brucknerorchester den ersten Aufzug, dramatisch aufge-wühlt folgte als Klimax der Dialog Kundrys mit Gurnemanz, sehr feierlich leuchtete das abschließende Licht des Grals. Eine exzellente Besetzung, an der Spitze Yvonne Naef (Kundry), Hans Sotin (Gurnemanz), Poul Elming (Parsifal), Eike Wilm-Schulte (Klingsor) und Karl-Heinz Lehner (Titurel), sorgte für Bayreuth-Flair in Linz.

Vollends aus dem Häuschen brachte schließlich Valery Gergiev das Publikum beim Abschlusskonzert mit seinem Mariinsky-Orchester. Zunächst flimmerte Alexander Skrjabins Prométhée, Le Poème du feu in impressionistischen Farben und durchsetzt mit jazziger Rhythmik vorbei - ohne die vom Komponisten geforderten Lichteffekte, doch mit einem ausgezeichneten Pianisten, dessen Name uns leider verschwiegen wurde.

Das Orchester erfüllte hier gediegen seine Pflicht. Dann aber, als es an Bruckners Siebente ging, wollte es unter den beschwörenden Händen des "Magiers" ohne Taktstock und an der Heimstätte des Komponisten offenbar zeigen, wo der Bartel den Most holt - manchmal eben auch außerhalb (ober)österreichischen Bodens. Gergiev entfachte einen an Intensität und Klangpracht kaum zu überbietenden Lavastrom mit klar herausgearbeiteten Verzweigungen, überraschenden Wendungen, fast zum Stillstand kommenden Spannungsfeldern und gleißenden Eruptionen.

Puristen mit der Partitur in der Hand werden natürlich bemerkt haben, dass sich das Energiebündel Gergiev Freiheiten in Agogik und Tempowahl herausnahm. Diese aber waren keineswegs Mittel zur plakativen Effektsteigerung, sondern untergeordnet einer zutiefst in der Emotion wurzelnden Gesamtsicht, die dennoch die analytische Herausarbeitung der einzelnen Bestandteile nie aus den Augen verlor. Einziger Wermutstropfen: Der geballten Kraft der brillanten Bläser unterlagen insbesondere die ersten Geigen einige Male hoffnungslos. Das Publikum spürte die Kraft der Interpretation: In seltener Einmütigkeit verneigte sich der gesamte Saal stehend und mit lautstarken Ovationen vor der Leistung von Dirigent und Orchester. (Reinhard Kannonier/DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2002)