"Von den utopischen Hoffnungen, die noch vor einigen
Jahren an das Internet geknüpft wurden, ist wenig geblieben.
Angesichts der Dotcom-Krise und einer zunehmenden Überwachungspolitik
hat sich weltweit Pessimismus breit gemacht."
Konferenz
Eine ernüchternde Erkenntnis stand zu Beginn der zweitägigen
Konferenz
"Dark Markets"
, einer Veranstaltung der
Netzkultur-Institution
Public Netbase
in den Räumen des
Architekturzentrums Wien. Freitag abend ging die zweitägige Konferenz
zu "Infopolitik, Elektronische Medien und die Krise der Demokratie"
zu Ende, zu der Gäste aus ganz Europa angereist waren, um mit einer
hochrangigen Runde von internationalen Experten, Wissenschaftern und
Polit-Aktivisten die notwendigen Strategien zu diskutieren.
Vergleiche
Die ehemalige Wired-Journalistin Paulina Borsook (US) verglich in
ihrem Eröffnungsvortrag die Gegenwart mit dem Ende der byzantinischen
Ära. Microsoft-Programme spielten heute die Rolle des Christentums um
550: eine "brutale, staatlich verordnete Religion, die die Menschen
an ihre Tätigkeiten und Orte fesselte, so dass sich niemals etwas
ändern konnte". Auch die andere Sprechern teilten diese düstere
Gegenwartsdiagnose.
Netzkultur
Geert Lovink (NL/AUS), Mitautor des Konferenzkonzepts und
Vordenker der kritischen Netzkultur, präsentierte sein Buch "Dark
Fiber" und stellte mit Florian Schneider (D) das Thema "Digital
Commons" in den Mittelpunkt. Das Vorrücken strenger
Copyright-Bestimmungen legt viele der innovativen Möglichkeiten des
Internet lahm, so Lovink: "Der kurze Sommer des Internet ist vorbei".
Internet-Demokratie sei dennoch möglich und ausbaufähig.
Depression
Für den italienischen Theoretiker und Polit-Aktivisten Franco
Berardi "Bifo" befinden sich die neuen Eliten der New Economy nach
dem Crash in einer "Depressionsphase", die mit kriegerischen Mitteln
behandelt wird: "Der Krieg ist das Amphetamin, das sie in ihre Venen
injizieren, um nicht in ihren inneren Abgrund blicken zu müssen."
Rolle der Medien
Die belgische Theoretikerin Chantal Mouffe sieht in der Gegenwart
ein "postpolitisches Zeitalter" heraufdämmern, in der traditionelle
demokratische Institutionen zunehmend abgelehnt werden. In ihrem
Ideal-Modell einer "agonistischen Demokratie" spielen auch die Neuen
Medien eine wichtige Rolle.
Neubeginn
"Die Krise", so fasste Public Netbase-Leiter Konrad Becker zum
Abschluss den Tenor der Konferenz zusammen, "markiere das Ende eines
naiven Utopismus und den Beginn einer Neuorientierung, welche in
ihrem Eintreten für freie Kommunikation bereits auf eine solide Basis
von Netzkultur-Erfahrung bauen kann." (red)