... sich deren Herausgeber nun halt ein anderes Objekt seines Protestes, Hauptsache, irgendein Politiker hält ihn für wichtig. Gefunden war es leicht. Kein rot-grünes Experiment, titelte das Blatt unmittelbar nach dem Scheitern des schwarz-blauen Experiments und berief sich dabei auf eine klare Mehrheit. Die kam folgendermaßen zustande: Welches Meinungsforschungsinstitut die "Krone" gestern auch immer wegen der Akzeptanz von Rot-Grün kontaktierte - aus keiner einzigen Umfrage ging eine Mehrheit für diese Regierungskonstellation hervor. Im Gegenteil: Von IMAS bis OGM und Fessel wurde die Vermutung geäußert, dass die Österreicher nun viel vorsichtiger geworden seien, was die "Krone" zu der Unvorsichtigkeit hinriss, die Vermutung zu äußern, 60% lehnen ein Kabinett Gusenbauer - Van der Bellen ab.

Noch einmal führte Cato dem Bundeskanzler vor Augen, wohin Ungehorsam führen muss. Vielleicht erkennt Bundeskanzler Schüssel in der nun eingetretenen dramatischen Atmosphäre unserer Innenpolitik das besondere Risiko für eine Volkspartei, den Wahlkampf gegen Mehrheiten zu führen . . . Wobei Cato mit Mehrheiten nur sich selbst meinen konnte, da ja Rot-Grün, wie nebenstehende Vermutungen zeigen sollten, keine Mehrheit hat.

Der Aufmacher nach der deutschen Wahl war eine rot-schwarz verschlüsselte Botschaft: "Rot-Grün hält nur ein Jahr!". Drei Tage zuvor war man sogar noch zuversichtlicher, da hieß es: Wird die erste rot-grüne Koalition in Deutschland nach nur einer Legislaturperiode abgewählt, dann dürfte in Österreich die SPÖ der Mut verlassen, ein gleiches rot-grünes Abenteuer zu wagen. Pech aber auch! Doch nur nicht aufgeben - am Tag nach der deutschen Wahl tröstete sich die "Krone": Die Österreicher wissen wahrscheinlich besser als die Politiker, was ihrem Land gut tut - natürlich die Neuauflage der rot-schwarzen Koalition.

Auch die Chefideologen des Blattes müssen in diesen Tagen ausrücken. So wusste Adabei zu berichten, dass sich der Herr Professor Van der Bellen im Falle des unerträglich-unsäglichen Falles von Rot-Grün nicht mit dem Sportministerium zufrieden geben werde. Na, dann kann Günther Nenning leicht schreiben: Daher hat Wolfgang Schüssel keine schlechten Chancen, und Alfred Gusenbauer könnte den "sozialen" Bonus kassieren, der aller Sozialdemokratie irgendwie anhaftet. Sich als verlässlich zu preisen, kann den Blauen nicht gelingen, und den Grünen eher auch nicht. Nach der Wahl kommt die Koalition der Verlässlichen: Rot plus Schwarz.

Schon einen Tag später schwächte er ab. Sehr viel wahrscheinlicher ist freilich die Wiederkehr von Rot-Schwarz. . . Dann werden sich die zwei starken zusammenfinden, blau und grün schauen durch die Finger. PS: Meine Prognosen sind stets irrtumsfreundlich. Inzwischen hatte er den "Krone"-Aufmacher von zwei Tagen zuvor nachgelesen, wo es hieß: Wahlkampf kann alles umdrehen. Und gestern meldete das Blatt sittlich entrüstet: Rot und Grün flirten heftig! Obwohl Dichand dagegen ist! Wo bleibt da der Respekt? Und wie soll da auch nur eine von Nennings Pflichterfüllungsprognosen halten?

Die Blauen werden in der "Krone" zurzeit wieder stärker von einem Kolumnisten vertreten, der sich hinter dem Pseudonym Eule zu verstecken sucht, aber eher Andreas Mölzer als Weisheit symbolisiert. Gut kommt nur der Noch-Finanzminister weg. Man spürte, dass dieser junge Karl-Heinz Grasser für eine neue Entwicklung stand, die wirklich eine Wendung bedeutete, trauerte Cato, was ihm zwei Wochen später, aber nicht zu spät, mit einem sich über vier Seiten hinziehenden Inserat vergolten ward, das mit nicht weniger als vier Fotos des juvenilen Finanzgenies ausgeziert war. Da spürte man fast körperlich, wie sehr dieser junge Karl-Heinz Grasser für eine neue Entwicklung steht.

Eine Hand wäscht eben die andere. So auch als Wolfgang Schüssel dem Verfasser des Drehbuches für Hans Dichands Sisi-Film, Norman Mailer, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse eigenhändig überreichte. Mit dem Drehbuch, als dessen Autor Mailer in der "Krone" seit Jahren gepriesen wird, verhält es sich mysteriös. Der "Presse" gestand er: Ich schreibe das Drehbuch mit meiner Frau. . . Ich glaube, ich verstehe Elisabeth noch immer nicht, sie war eine sehr komplizierte Person. Der APA sagte er: Mein Drehbuch ist schon fertig, schränkte aber die Chance auf cineastische Realisierung stark ein: Das ist ein sehr teurer Film. Ich glaube, Hans wäre stolz, wenn er ihn nicht selber finanzieren müsste.

Stolz war nicht ganz der richtige Ausdruck. Aber vielleicht kann der Mann der neuen Entwicklung, die wirklich eine Wendung bedeutet, noch schnell einspringen und dem Sparefroh vom Kleinformat auf die Sprünge helfen, ehe er mit seinen Talenten anderswo wuchert. Bei Dichands Stolz wird der Film sonst ja nie gedreht. Immerhin kam Schüssel mit seinem Auftritt nicht nur Dichand entgegen, sondern auch auf das Titelblatt der "Krone", was angesichts des drohenden rot-grünen Experiments nicht zu unterschätzen ist.
(DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2002)