Inland
Das Gutachten zu den Benes-Dekreten im Wortlaut
"Enteignungen kein Problem nach EU-Rechtsbestand" - Amnestiegesetz "abstoßend"
Brüssel - Das Gutachten der drei Juristen Jochen Frowein
(Deutschland), Ulf Bernitz (Schweden) und Christopher Prout
(Großbritannien) zu den umstrittenen Benes-Dekreten sieht in den
Nachkriegsregelungen der Tschechoslowakei keinen Hinderungsgrund für
einen EU-Beitritt Tschechiens. Gleichwohl wird der Regierung in Prag
die "formelle Anerkennung" von Unrecht nach dem Amnestiegesetz
deutlich empfohlen. Im Folgenden die "Gemeinsamen Schlussfolgerungen"
in APA-Übersetzung aus dem Englischen: "Wir sind zu den folgenden gemeinsamen Schlussfolgerungen gelangt:
1. Die Enteignungen auf Grundlage der Benes-Dekrete werfen kein
Problem nach dem EU-Rechtsbestand auf, da dieses keine rückwirkende
Wirkung hat.
2. Die Dekrete über die Staatsbürgerschaft liegen außerhalb der
Kompetenz der EU.
3. Obwohl das tschechische System der Restitutionen in mancher
Hinsicht - wie das UNO-Menschenrechtskomitee festgestellt hat -
diskriminierend ist, wirft es kein Problem nach dem EU-Rechtsbestand
auf.
4. Es muss während des Beitrittsprozesses (Tschechiens zur EU,
Anm.) klargestellt werden, das strafrechtliche Verurteilungen auf
Grundlage der Benes-Dekrete nach dem Beitritt nicht exekutiert werden
können.
5. Ein Widerruf des Gesetzes Nr. 115 aus dem Jahr 1946
(Amnestiegesetz, Anm.), das 'gerechte Vergeltungen' von
Strafverfolgung freistellte, scheint im Zusammenhang mit dem Beitritt
nicht zwingend erforderlich. Der Grund ist, dass Einzelpersonen mehr
als 50 Jahre auf diese Bestimmungen vertraut haben und daher die
legitime Erwartung haben, dass sie jetzt nicht für diese Handlungen
strafrechtlich verfolgt werden. Da wir jedoch dieses Gesetz jedoch
für abstoßend in Hinsicht auf die Menschenrechte und alle
fundamentalen Gesetzesprinzipien halten, sind wir der Meinung, dass
die Tschechische Republik dies formell anerkennen sollte.
6. Unsere Meinung beruht auf dem Verständnis, dass ab dem
Zeitpunkt des Beitritts alle EU-Bürger auf dem Territorium der
Tschechischen Republik dieselben Rechte haben werden". (APA)