Die Nettozahler-Debatte geht weiter: Die EU-15 können sich nicht einigen, wie sie die Kandidatenländer davor bewahren, nach ihrem Beitritt erst einmal mehr nach Brüssel zu zahlen, als sie von dort erhalten. Die Aspiranten haben derweil ihre eigenen Vorstellungen: "Viele Kandidatenländer hätten lieber eine Reduktion ihrer EU-Beiträge als eine Ausgleichszahlung", sagt Danuta Hübner, Polens EU-Staatssekretärin, am Dienstag in Brüssel am Rande der Beitrittsverhandlungen.Am Vortag waren die EU-Staaten bei dem Versuch gescheitert, eine Lösung für das Nettozahlerproblem zu finden. Zwar sind sich alle einig, dass jeder EU-Neuling in seinem ersten Jahr der Mitgliedschaft aus politischen Gründen zumindest plus/minus null dastehen muss. Doch der Vorschlag der EU-Kommission, daher pauschale Ausgleichszahlungen zu leisten, fand nicht die nötige Einstimmigkeit. Doch auch der Vorschlag der dänischen EU-Präsidentschaft, die Zahlungen aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds an die Kandidatenländer auf reduziertem Niveau vorzuziehen, traf auf Widerstand: Die bisherigen Profi- teure dieser Fonds - Spanien, Portugal, Irland und Griechenland - befürchten mit der Reduzierung einen Präzedenzfall. Sie meinen, die historischen Nettozahler wie Deutschland würden das als Hebel nutzen, um den Kohäsionsfonds überhaupt auslaufen zu lassen. Wie weit die Zahlenspiele aufseiten der Kandidatenländer derzeit getrieben werden, demonstrierte am Dienstag der polnische Chefverhandler Jan Truszczynski: Nach seiner Rechnung wäre Polen im ersten Beitrittsjahr Nettozahler bei der gemeinsamen EU-Agarpolitik. Der EU-Beitrag Warschaus betrüge dann 2,4 Milliarden Euro, der Agraranteil daran 1,1 Mrd EURO. Zur selben Zeit bekäme Polen aber nur rund 600 Millionen an Agrarmitteln aus Brüssel. Seine Chefin, Staatsekretärin Hübner, kündigte unterdessen an, dass Polen beim Streit um die Direktzahlungen an Landwirte einlenken und sich mit den Summen, die die EU-Kommission vorschlägt, zufrieden geben könnte. Demnach würden polnische Bauern anfangs nur 25 Prozent der Hilfen bekommen, die den EU-15-Bauern zufließen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2002)