... "Kurs setzen in einer veränderten Welt" beschrieben hat. Angeregt waren sie dazu möglicherweise ein wenig auch vom "Kurier", der sicherheitshalber nicht im politischen Teil, sondern in seiner Rubrik Gesellschaft unter dem Titel Kampflächeln für Europa berichtete, was Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bei der Präsentation dieser Memoiren gesagt hat. Männer, so meinte er, das so genannte starke Geschlecht, würden herumeiern, wenn ihnen ein Jobangebot gemacht wird. Nicht so Benita Ferrero-Waldner, als er ihr vor sieben Jahren vorschlug, sein "Alter Ego" zu werden.

Ob es ein Job mit Zukunft ist, das "Alter Ego" Wolfgang Schüssels zu verkörpern, mag das Arbeitsmarktservice entscheiden. Dem Egomanen müssen wir dankbar sein für die nunmehr öffentliche Verdichtung des Verdachtes zur Gewissheit, dass er für besagten Job von Anfang an alles andere als einen Swiffer auf dem diplomatischen Parkett dieser Welt gesucht hat, weshalb Frau Ferrero-Waldner nicht lange herumeiern musste, um sich zur Rolle des "Alter Ego" durchzuringen. Heute kann Schüssel gelassen von ihr sagen, was man sonst eher Menschen nachsagt, die ohne lang herumzueiern an ihre Taten schreiten: Sie habe ihre Fingerabdrücke in der Politik hinterlassen.

Trotzdem fragt sie sich in einem eigenen Kapitel noch heute: Wie wird man Politikern? Wie so oft; die Sekretärin bei der UNO meldet eine Anruf "from Austria". Wenn sie meinte, der Anruf könnte wichtig sein, dann war er es wahrscheinlich so. Außerdem habe ich es mir zum Grundsatz gemacht, Anrufe entgegenzunehmen, wann immer es möglich ist. Grundsätze muss der Mensch haben, dann kann er es bis zum "Alter Ego" Wolfgang Schüssels bringen.

Der Anruf war in der Tat wichtig. Er sollte mein Leben verändern. Und jetzt typisch - das so genannte starke Geschlecht. Als ihr Mann hörte, welches Angebot man mir gemacht hatte, verschüttete er zunächst den Kaffee. Etwas trockener reagierte UNO-Generalsekretär Boutros Ghali: "Wenn Frau Ferrero-Waldner von ihrem Land gebraucht wird, muss ich sie freigeben." Womit einer Angelobung nichts mehr im Wege stand.

4. Mai 1995. Es war ein angenehmer Morgen an einem frühlingshaften Tag. Die Stimmung war feierlich. Ich war - wie zu erwarten - in festlicher Stimmung. Ich trug ein schwarzes Kostüm mit einem breiten weißen Kragen und weißen Manschetten. Eine Art Zofenlook für die neue Rolle, denn was hatte ihr der neue Außenminister kurz vorher eingeschärft? "Sie werden in dieser Funktion mein Alter Ego sein." Dass er sich im "Kurier" daran noch jetzt erinnert, beweist wieder einmal, wie gut auch in fortgeschrittenem Alter das Langzeitgedächtnis funktioniert. Anders als das Kurzzeitgedächtnis. Dass er als Dritter in Opposition gehen wollte, hat er vier Jahre später innerhalb weniger Wochen vergessen.

Zurück zum Arbeitsleid eines Schüsselschen Alter Ego: Ich fühle mich, vor allem in feierlichen Momenten, in Schwarz am wohlsten. (Ich trage, wenn es passt, auch Weiß sehr gerne, habe aber sonst auch gerne Kleider und Kostüme in kräftigeren Farben. Das gibt unserem Alltag etwas Buntheit. Meine Lieblingsfarbe, dies mag etwas ungewöhnlich sein, ist türkis. Für diesen Anlass wollte ich natürlich etwas Feierliches tragen.)

Dazu hat man ja nicht immer Gelegenheit, denn leider verlief schon die nächste Angelobung, bei der sie die nächsthöhere Alter Ego-Stufe erklimmen sollte, nicht mehr ganz so feierlich. Und gewaschen mit allen weltpolitischen Intrigenwässerchen weiß die Außenministerin auch, warum. Nach dem Wahlergebnis vom Oktober 1999 hatte sich in langwierigen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ herausgestellt, was viele schon gefühlt - vor allem, was zwei schon längst ausgehandelt hatten, dass die Große Koalition an ihr Ende gelangt war. Es musste zu einer Wende kommen. Vergleichsweise schnell konnten sich ÖVP und FPÖ auf ein Koalitionsabkommen für eine Bundesregierung unter Dr. Wolfgang Schüssel einigen.

Dass sie hinter der Wende, die kommen musste, noch heute die Wucht eines Naturgesetzes und nicht einfach den Wortbruch jenes Egos erkennt, als dessen Emanation sie walten darf, ist ein schönes Denkmal der Loyalität. Andere hatten damit offenbar größere Probleme, was sich beim Gang zur Angelobung auf eine schöne Seele, die sich vor allem in feierlichen Momenten in Schwarz am wohlsten fühlt, unvorteilhaft auswirken musste. Ich mag unterirdische Gänge grundsätzlich nicht. Ich habe keine Klaustrophobie, aber ich mag sie nicht. Ich gehe auch nirgends durch den Hintereingang hinein. Entweder - das ist meine Grundhaltung - ist man gewillt, mich durch den Vordereingang zu empfangen oder gar nicht. Ich habe es nicht notwendig, mich irgendwo hineinzustehlen. Auch nicht in die Hofburg. Dort geht man voll Respekt, aber aufrechten Gangs hinein - und durch das Hauptportal. Bravo!

Aber wenn nicht, dann halt nicht. Eine Grundhaltung zu haben, bedeutet ja noch lange nicht, dass man es nicht doch für notwendig hält, sich irgendwo hineinzustehlen. Nur kein falscher Stolz - Gefühle schon. Ich müsste meine Gefühle verleugnen, wollte ich behaupten, dass es mir nichts ausgemacht hat, gemeinsam mit den Spitzen der künftigen Bundesregierung - nur mit den Spitzen? - durch den langen und etwas verzweigten Tunnel versteckt in die Hofburg zu gelangen.

Wenn man nur wüsste, was sie dabei anhatte. Etwas, das unserem Alltag etwas Buntheit gibt, hätte den Herrn Bundespräsidenten gewiss gnädiger gestimmt. (DER STANDARD; Printausgabe, 1.10.2002)