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Täglich bis zu 5000 Pakete und Briefe werden im Logistikzentrum versandfertig gemacht. Umgerechnet auf das Jahr sind das fast eine Million Sendungen aus rund zehn Millionen Einzelteilen, die kommissioniert, verpackt, und auf den Weg gebracht werden. Die Rede ist nicht von Post oder Versandhaus, sondern von der deutschen FernUniversität Hagen, die insgesamt fast 60.000 Studentinnen und Studenten, rund 2000 davon in Österreich, mit Skripten, Lehrbriefen, Übungs- und Lösungsunterlagen versorgt. Ganz anders bedient werden die 600 Studierenden, die dieser Tage das Multimedia-Diplomstudium der Rechtswissenschaften beginnen. Sie reisen zunächst nach Bregenz, Villach oder Stadtschlaining, um ihre Kommilitonen und Professoren kennen zu lernen und um zu inskribieren. Außerdem erhalten sie den fürs virtuelle Studieren notwendigen Multimediakoffer. Fernstudien, ausgegangen Ende der Sechzigerjahre von der Open University in Großbritannien, werden immer beliebter. So zählt die Open University inzwischen rund 185.000 Studierende; etwa 80 Prozent davon absolvieren das Studium neben ihrem Job. Auch das neue Multimedia-Studium hat sofort eingeschlagen. "400 Studierende wären zu Beginn schon ein schöner Erfolg gewesen", meint denn auch der Jurist Andreas Riedler, Mitkonzipient und Betreuer des neuen Lehrganges. Eineinhalbmal so viele haben sich bereits fix angemeldet. "Es gibt offensichtlich ein großes Bedürfnis nach flexiblen Studienmöglichkeiten", erklärt Andreas Riedler den unerwarteten Andrang. Der wesentliche Unterschied zwischen Fern- und traditionellen Präsenzstudien liegt in der besonderen Lehrmethode. Arbeitet Hagen noch überwiegend mit didaktisch speziell aufbereiteten Studienbriefen, erhalten die neuen Multimedia-Studenten ihre Vorlesungen auf einer DVD mit Videosequenzen und Powerpoint-Präsentationen. "Wir versuchen den Stoff über alle Sinne zu vermitteln", erklärt Riedler. Verschiedene Tests zur Selbstüberprüfung sind ebenfalls integriert. Übungen und Arbeitsgruppen werden über Videostreaming via Internet live übertragen, können aber auch zeitversetzt am PC abgerufen werden. Auf traditionelle Skripten wird jedoch nicht ganz verzichtet. Eine Schwäche des Studierens aus der Ferne ist der Mangel an Sozialkontakten. Die FernUni Hagen hat deshalb regionale Studienzentren - sechs davon in Österreich - eingerichtet, wo Beratung stattfindet und Prüfungen abgenommen werden. Die Uni Linz veranstaltet zu Beginn jedes Studienabschnittes eine siebentägige Präsenzphase und betreut ihre Studenten auch per E-Mail. Die Kosten für diese neue Studienform beinhalten neben den allgemeinen Studiengebühren (363,36 EURO) eine Semesterpauschale für den Medienkoffer von rund 300 Euro. Bei der FernUni Hagen entfallen die staatlichen Studiengebühren; zu bezahlen ist eine Pauschale für Lehrmaterial sowie 150 Euro pro Semester an die Partner-Uni in Linz. (Astrid Zimmermann/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.09.2002)