Eine Nachbildung

Wien - Das Josephinum in Wien besitzt - im Rahmen des Instituts für Geschichte der Medizin - einzigartige Sammlungen. Am Mittwoch allerdings gibt es im Rahmen eines Festaktes einen ganz besonderen Anlass zu feiern: Eines der ersten auch an Patienten anwendbaren Endoskope aus dem Jahr 1805 - ein Exemplar des Bozzini-Lichtleiters - kehrte vor kurzem nach Wien zurück. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es aus dem Josephinum verschwunden - und tauchte in den USA wieder auf. Philipp Bozzini Philipp Bozzini (1773 bis 1809) war Arzt in Frankfurt, zugleich aber auch Erfinder. Er wollte den uralten Traum der Mediziner wahr machen: in den Körper des Menschen hinein sehen zu können. Egal, ob über natürliche Zugänge oder gar via tiefe Wunden - das Hineinblicken in den menschlichen Körper sollte dem Arzt eben einen genaueren Eindruck in die Situation geben, Diagnosen stellen lassen und bei der Behandlung helfen. Bozzini, er starb nur wenige Jahre nach seiner Erfindung bei einer Epidemie, konstruierte deshalb ein rund 30 Zentimeter großes Gerät, in dem er eine Kerze unterbrachte und das Licht über geteilte Strahlengänge in den Körper leitete: Ein Strahlengang für die Lichtleitung, ein zweiter zum Anschauen. "Sein Lichtleiter, dieser kühne, hohe Versuch dahin Licht zu tragen, wo die Natur ewige und undurchdringliche Nacht verbreitet zu haben scheint, in die innern Höhlungen lebendiger Körper ...", hieß es in einer Beschreibung des Systems aus dem Jahr 1809. Befohlener Ankauf Die Wissenschafter an der Wiener Josephinischen Akademie in der Währinger Straße erhielten jedenfalls ein solches Gerät, das auf Intervention von Erzherzog und Kriegsminister Carl von Kaiser Franz II. angekauft wurde. Carl war der Protektor von Bozzini. Univ.-Doz. Dr. Manfred Skopec, Direktor der Museen an dem Wiener Institut: "Das Josephinum wurde offenbar zu einem der ersten Zentren der frühen Endoskopie." Man schaute per Bozzini-Lichtleiter in die Harnröhre hinein, betrachtete den Gehörgang, versuchte die ersten "Darmspiegelungen". Bald wurde das Gerät verbessert. Freilich, die medizinische Fakultät der Universität Wien tat in einem Gutachten den Lichtleiter als Spielzeug ab, es wurde wieder vergessen. 1826 stellte der französische Arzt Pierre Salomon Segalas in Paris ein verbessertes Gerät vor. Der Wiener Max Nitze sowie der Techniker Josef Leiter schufen ab 1879 in Wien dann mit ihren Geräten die Basis für die moderne Endoskopie. Zunächst verwendete man glühende Platindrähte als Lichtquelle. Thomas Alva Edison ermöglichte mit der Erfindung der Glühbirne erstmals "Spiegelungen" mit ausreichendem Licht. Freilich, der Bozzini-Lichtleiter - so Univ.-Doz. Dr. Peter Paul Figdor, Archivar der Österreichischen Gesellschaft für Urologie - hatte auch mehr als 100 Jahre nach seiner Erfindung eine wechselvolle Geschichte: Das Exemplar aus dem Josephinum verschwand irgendwann nach 1945. Fragen offen Was da geschah, lässt sich nicht mehr eruieren. Jedenfalls wurde der Lichtleiter in den sechziger Jahren über das britische Royal College of Surgeons im Rahmen einer Schenkung an das American College of Surgeons in Chicago weiter gegeben. Der Nachweis, dass es sich dabei um das Wiener Gerät handelte, war schwierig. Skopec: "Das konnten wir nicht nachweisen, weil es keine Inventarnummer hat." Doch Ende Mai konnte er das Gerät schließlich - die amerikanischen Ärzte hatten sich dafür entscheiden, die "Fackel" wieder an den alten Kontinent weiter zu reichen - beim amerikanischen Urologenkongress in Orlando entgegen nehmen und es nach Wien bringen. Am Mittwoch bedanken sich die Wiener Medizinhistoriker bei ihren US-Kollegen für die Rückgabe des Gerätes. Es wird jetzt wieder im Wiener Nitze-Leiter-Museum für medizinische Endoskopie zu sehen sein. Durch die Dauerleihgaben des Stuttgarter Urologen Prof. Hans-Joachim Reuter ist es eine der wichtigsten Sammlungen auf diesem Gebiet.(APA)