Die serbische Wahlkommission hat offiziell bestätigt, dass der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica und der föderale Vizepremier Miroljub Labus bei der Stichwahl am 13. Oktober um das Präsidentenamt Serbiens ringen werden. Nach Auszählung von 85,17 Prozent der Stimmen teilte die Wahlkommission mit, dass Kostunica mit 31,34 Prozent in Führung liege, gefolgt von Labus mit 27,47 Prozent der Stimmen. An dritter Stelle steht der Führer der rechtsextremen Serbischen Radikalen Partei, Vojislav Seselj, mit 22,64 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung belief sich nach derzeitigen Angaben auf 56,2 Prozent. Der Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung, Vuk Draskovic, hat laut Wahlkommission 4,38 Prozent der Stimmen erhalten. An fünfter Stelle steht der Anführer der Partei der Serbischen Einheit, Borislav Pelevic, mit 3,94 Prozent der Stimmen, gefolgt vom Präsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei, Velimir Bata Zivojinovic, mit 3,32 Prozent der Stimmen. Ex-Generalstabschef Nebojsa Pavkovic erhielt 2,06 Prozent der Stimmen. Die restlichen Präsidentschaftskandidaten bekamen weniger als zwei Prozent der Stimmen. Die Republikwahlkommission hat mit den vorläufigen Wahlergebnissen die am Sonntagabend veröffentlichen Hochrechnungen des Belgrader Zentrums für freie Wahlen und Demokratie (CESID) bestätigt. Die offiziellen Wahlergebnisse dürften nach der vollständigen Auszählung der Stimmen am Dienstag vorliegen. Die Ursache für die niedrige Wahlbeteiligung von nur 55 Prozent und das gute Resultat von Seselj suchen Wahlbeobachter in der "schmutzigen" Kampagne und den heftigen gegenseitigen Beschuldigungen der zwei demokratischen Kandidaten Kostunica und Labus. Die "demokratischen" Wähler seien dadurch verwirrt gewesen, und Seselj konnte in dem entstandenen "Vakuum" im verarmten Serbien mit "demagogischen" Parolen für sich werben. "Die Bürger Serbiens haben gezeigt, dass sie keinen Extremismus haben wollen", erklärte Kostunica am Montag zufrieden. Nicht nur Seselj sei ein Extremist, sondern auch Labus, der ohne die geringste Rücksicht auf die soziale Lage in Serbien alle Forderungen internationaler Finanzinstitutionen akzeptierte. Kostunica gab sich siegessicher. Laut Umfragen hat Labus in der zweiten Runde kaum Chancen. Kostunica kann mit den Stimmen von Seselj, der anderen konservativen Kandidaten und "allen unzufriedenen Bürgern" rechnen. Seine größte Sorge ist nicht Labus, sondern dass die Präsidentenwahl in zwei Wochen an einer Beteiligung unter 50 Prozent scheitern könnte. "Kostunica hat einen Vorsprung von nur 100.000 Stimmen", erklärte Labus indes kämpferisch. Schnelle Reformen hätten keine Alternative, diesen Kurs aufzugeben, würde für Serbien den Untergang bedeuten. Labus rief seine Anhänger auf, in zwei Wochen zu den Urnen zu gehen. Denn sollte die Präsidentenwahl an niedriger Beteiligung scheitern, würde das die politische Krise in Serbien noch vertiefen. Zwei Jahre nach der Wende gibt es drei politische Blöcke in Serbien: Zwei fast gleich starke Koalitionen, die von Kostunica und Serbiens Premier Zoran Djindjic angeführt werden, und die nationalistische SRS Seseljs, die Slobodan Milosevic aus dem Haager Gefängnis unterstützt. Vorgezogene Parlamentswahlen in Serbien scheinen unvermeidlich. Unterstützt von 27 Prozent der Wähler, hält Djindjic derzeit die gesamte Macht in Serbien in seinen Händen. (APA/Andrej Ivanji/DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2002)