Wirtschaft
IWF: "Es sind Zeiten mit großen Herausforderungen"
G-7 stellen weitere Erholung der Weltwirtschaft in Aussicht - Duisenberg kritisiert Euro-Länder mit hohen Defiziten
Washington - Die sieben führenden
Industrienationen (G-7) erwarten, dass die Weltwirtschaft trotz
steigender Risiken ihren Erholungsprozess fortsetzen wird. "Das
Wirtschaftswachstum in unseren Ländern setzt sich fort, wenn auch
schleppender als im bisherigen Verlauf des Jahres", teilten die
Finanzminister und Zentralbankchefs der G-7 im Abschlusskommunique
ihrer Tagung in der Nacht zum Samstag in Washington mit. Allerdings
erkenne man an, dass es weiterhin Risiken gebe. Im Kommunique der G-7-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien,
Großbritannien, Japan, Kanada und USA heißt es, man sei
zuversichtlich, dass sich die Marktwirtschaften der Schwellenländer
gut entwickelten. Die Länder seien aufgefordert, eine
wachstumsorientierte Politik zu betreiben. Die G-7 begrüße in diesem
Zusammenhang die Politik Brasiliens. Der Internationalen
Währungsfonds (IWF) hatte Anfang September Brasilien einen Kredit in
der Rekordhöhe von 30 Milliarden Dollar (30,7 Mrd. Euro) gewährt, um
das Vertrauen der Anleger vor den im Oktober anstehenden
Präsidentenwahlen in dem Land zu stärken.
"Große Herausforderungen"
Die IWF-Mitglieder betrachten die Lage der Weltwirtschaft mit Sorge
und fordern konkrete Anstrengungen zur Stabilisierung der Konjunktur.
Europa müsse die Strukturreformen vor allem der Arbeitsmärkte
vorantreiben, die USA müssten nach der Serie von
Buchführungsskandalen die Unternehmensaufsicht stärken und Japan den
Banken- und Unternehmenssektor sanieren, verlangten die 24
Finanzminister, die im IWF-Lenkungsausschuss vertreten sind, am
Samstag zum Auftakt der Jahrestagung von IWF und Weltbank in
Washington.
"Es sind Zeiten mit großen Herausforderungen für die
Weltwirtschaft", sagte der Vorsitzende des Lenkungsausschusses, der
britische Finanzminister Gordon Brown. Es gebe jedoch Anzeichen
dafür, dass der Aufschwung weitergehe. Die weltweite Konjunktur schon
"in naher Zukunft" wieder an Fahrt gewinnen. IWF-Direktor Horst
Köhler begrüßte die Einigkeit der Länder, sich den Herausforderungen
gemeinsam zu stellen.
Nach Angaben von Brown muss ein neuer Pakt zwischen Entwicklungs-
und Industrieländern geschlossen werden. 15 Länder hätten Geld für
den Fonds zugesagt, mit dem die Entschuldungsinitiative für die
ärmsten Länder finanziert werden soll. Für die Initiative fehlen nach
Angaben der Weltbank noch mindestens 800 Millionen Dollar.
Duisenbergsche Kritik
Der Chef der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, kritisierte
die Euro-Länder scharf, deren Haushaltsdefizite aus dem Ruder laufen.
"Die Ergebnisse der Fiskalpolitik in mehreren Euroländern sind
äußerst enttäuschend", sagte Duisenberg. Portugal hat die im
Stabilitäts- und Wachstumspakt festgeschriebene Grenze eines
Haushaltsdefizits von drei Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukts
(BIP) bereits überschritten, Deutschland, Frankreich und Italien
bewegen sich scharf an der Grenze. Duisenberg forderte die
betroffenen Länder auf, unverzüglich einen "glaubhaften
Anpassungsprozess" in Gang zu setzen.
Im Kampf gegen die
Terrorfinanzierung forderten die Minister die Finanzarbeitsgruppe
(FATF) auf, Richtlinien zu entwickeln, damit
Wohltätigkeitsorganisationen nicht mehr für Terrorzwecke missbraucht
werden. Das Einfrieren von Konten soll erleichtert werden.
Mehr Geld für gutes Verhalten
Der argentinischen Regierung stellte der IWF-Direktor Horst Köhler ein
kurzfristiges Stabilisierungsprogramm in Aussicht, das Engpässe vor
der Wahl im März überbrücken helfen soll. Er nannte drei
Voraussetzungen für das kurzfristige Programm:
einen monetären Anker, um das Geldangebot in der argentinischen
Wirtschaft zur Vermeidung einer Hyperinflation zu kontrollieren,
einen fiskalischen Rahmen, der die Provinzen einschließt und
Rechtssicherheit mit einem praktikablen Insolvenzrecht. "Wir wollen
diese Vereinbarung so rasch wie möglich", sagte Köhler.
Schließlich kündigten die Minister eine Aufstockung der
Entwicklungshilfe für Länder an, die Hilfsprogramme gut verwalten und
messbare Ergebnisse vorweisen können. Sie sprachen sich für weitere
Handelsliberalisierungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO)
aus. IWF und Weltbank hatten die Handelsbarrieren für
Entwicklungsländer am Freitag in einer gemeinsamen Studie
dokumentiert. Sie riefen die Industrieländer auf, Subventionen für
Agrarprodukte und Zölle auf Waren aus Entwicklungsländern abzubauen. (APA/Reuters/dpa)