Wien - Theresia Haidlmayr ist ihr Taferl nicht losgeworden. Das macht sie nicht glücklich. Denn, betont die Behindertensprecherin der Grünen im Parlament, eigentlich dürfe es ja gar kein Thema sein, ob man als "mobilitätsbehinderter" Mensch - also auch als Kinderwagenpersonal, Stockbenutzer oder Gipshaxenträgerin - überhaupt die Chance hat, vorhandene Einrichtungen zu nutzen: "Aber wenn in der Bauordnung steht, ,nach Möglichkeit‘ und keine Konsequenzen angedroht werden, bringt das nichts."Deshalb hat Theresia Haidlmayr Freitagvormittag ihre Schildchen mit der Aufschrift "barrierefrei" von einer Exkursion durch die Wiener Josefstadt allesamt wieder mit nach Hause genommen. Nicht weil Supermärkte, Cafés, Boutiquen oder Theater in der Josefstadt ihrem persönlichen Gusto nicht behagt hätten, sondern "weil da eine eindeutige Önorm existiert - und die wird hier nirgendwo erfüllt". Von stufenlosen Gastronomietoren dürfe man sich nicht täuschen lassen: "Wenn man nach dem zweiten Kaffee merkt, dass die hier kein behindertengerechtes Klo haben, hat man es sehr eilig." Seit Juli ist die rollstuhlfahrende Parlamentarierin in ganz Österreich auf der Suche nach barrierefreien Lokalen, Geschäften und Institutionen. In den bisher besuchten 19 Orten und Städten in vier Bundesländern konnte sie nur 28- mal attestieren, dass alles passt. "Die Wirte und Geschäftsleute", will Haidlmayr niemandem böse Absicht unterstellen, "denken oft einfach nicht mit. Viele sind dankbar, wenn man sie auf Fehler und Versäumnisse aufmerksam macht." Fälle wie jener Pinkafelder Wirt, der angesichts einer 60 Grad steilen Rampe meinte, "Rampe ist Rampe", seien die Ausnahme. Typisch seien - neben den omnipräsenten Treppen und Türschwellen - dagegen Gasthöfe ohne Behindertenklos und Kleidergeschäfte mit nicht benutzbaren Umkleidekabinen. Abhilfe, meint Haidlmayr, brächten hier nicht bloß Bewusstseinsarbeit - im achten Bezirk haben kürzlich SP, Grüne, FP und Bürgerform die ÖVP überstimmt und die Einführung einer eigenen Arbeitsgruppe beschlossen -, sondern vor allem gesetzliche Grundlagen: Ein Gleichstellungsgesetz, das verbindliche Auflagen enthält. Mit Übergangsfristen für kleine Unternehmer, wie Haidlmayr betont. Das Wort "Kosten" will sie als Entschuldigung nicht akzeptieren: "Wenn irgendwo eine Brandschutztür vorgeschrieben wird, kann ich ja auch nicht sagen, das ist mir zu teuer." (DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2002)