Schwarz-Blau und Rot-Grün gleich wahrscheinlich - Ehewunsch hat seinen Preis: Politologen halten Koalitionsansagen für hilfreich und gefährlich - Mit Grafik
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Wien
- Mehr wortreiches
Schweigen war selten. Mit
Floskeln, Selbstlob und rhetorischen Ausweichmanövern
wand sich ÖVP-Vizeobfrau
Elisabeth Gehrer neulich um
eine Antwort auf die Frage,
mit wem denn die ÖVP nach
der Wahl koalieren möchte.
Weil, so ihr Argument, das die
Wähler kaum interessiere.
Stimmt nicht wirklich, entgegnet die Politologin Sieglinde Rosenberger im STANDARD-
Gespräch: "Eine Koalitionsaussage ist in diesem Wahlkampf ein wichtiger inhaltlicher Punkt. Auch deshalb,
weil viele Wähler desorientiert sind und nach Orientierung suchen. Lavieren erzeugt da Verunsicherung." Für die
ÖVP gelte das noch am wenigsten: Sie habe nach dem
Ende von Schwarz-Blau keine
andere Wahl, als die öffentliche Präferenz vieler VP-Spitzen für eine Fortsetzung von
Schwarz-Blau durch öffentliche Nichtfestlegungen wie die
Gehrers zu ergänzen. Völlig
anders sei die Situation für
SPÖ und Grüne. Beide liebäugeln mit Rot-Grün, lassen sich
aber auch eine Zusammenarbeit mit der ÖVP offen. Vor
allem von den Grünen ein
Fehler, meint Rosenberger:
"Die Grünen müssen auf Konsistenz achten. Sie haben am
stärksten gegen Schwarz-Blau
argumentiert und sich dadurch profiliert. Wenn sie sich
jetzt die Tür zur ÖVP offen lassen, könnte das zu Glaubwürdigkeitsverlust führen."
Schwieriger sei eine Festlegung für die SPÖ - weil innerhalb der Funktionäre sowohl
Rot-Schwarz als auch Rot-Grün seine Fans habe. Für die
Wähler hingegen, meint Rosenberger, wäre eine klare Koalitionsaussage "hilfreich".
Wechsler verprellt
Das stimme zwar - aber klare Koalitionspräferenzen haben auch "ihren Preis", kontert der Polit- und Sozialforscher Christoph Hofinger vom
Institut Sora: "Die Wähler sind
in Bewegung, mehr Prozent
als sonst sind zum Lagerwechsel bereit. Eine klare Festlegung kann auch potenzielle
Lagerwechsler verprellen - und ein Offenlassen der
Wunschkoalition hingegen
ein Signal, über die Lagergrenzen hinaus sein."
Dazu komme, dass eine klare Koalitionsaussage Wähler
vor allem innerhalb der Blöcke Rot-Grün oder Schwarz-Blau bewege: "Wähler, die
zwischen Rot und Grün
schwanken, könnten sich
durch eine Festlegung der
SPÖ auf Rot-Grün für die SPÖ
entscheiden." Damit änderten
sich allerdings nicht die
Mehrheiten. Ob nun die Kosten oder der Nutzen einer
Festlegung höher sei, das kann
Hofinger jetzt nicht beantworten: "Darüber grübeln derzeit
sicher die Strategen aller Parteien." (Eva Linsinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.9.2002)
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