New York/Wien - "Ein Angriff auf den Irak ist in keiner Weise gerechtfertigt, bevor es nicht glaubwürdige Beweise für eine reale Bedrohung gibt", ist die ehemalige Krankenschwester Colleen Kelly überzeugt. Auch Dokumente wie das Blair-Dossier gehören auf das Penibelste hinterfragt. Colleen ist Sprecherin von 30 Familien, deren Angehörige oder Freunde in den Trümmern des World Trade Center umkamen. Innerhalb der Organisation "September 11 Families for Peaceful Tomorrows" versucht sie, Kongressabgeordnete von Alternativen zu einem Krieg gegen den Irak zu überzeugen, denn: "Das ist der beste Weg, unsere verstorbenen Liebsten zu ehren." Eine Reise nach Afghanistan, bei der die Gruppe zivile Opfer der US-Angriffe besuchte, festigte sie in der Überzeugung, dass man "der Gewalt nicht mit dem Mittel der Gewalt ein Ende setzen" könne. Diplomatie sei eine mögliche Lösung für politische Konflikte: "Die meisten führenden Terroristen wurden ja auch nicht im Zuge unserer Angriffe auf Afghanistan geschnappt, sondern durch die Arbeit der Geheimdienste", sagt Colleen im Telefonat mit dem Standard. Natürlich müsse man Terror bekämpfen, doch sie selbst sehe keinen Konnex zwischen dem 11. September und dem Irak: "Vor dem Jahrestag wurden der Terrorismus und der Golf in den Medien immer mehr miteinander in Verbindung gebracht. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein säkularer Diktator wie Saddam Hussein islamistische Al-Qa’ida-Leute beherbergt. Aber wenn die Regierung schon das Argument ins Treffen führt, dass der Irak Terroristen Unterschlupf gewährt hat, dann müsste sie wohl einige andere Länder auch bombardieren." "Weckruf" 11. September Wren Arthur, Schauspielerin und Regieassistentin, sieht sich dem Frieden verpflichtet, seit der Krieg über den Frieden hereinbrach: "Wir fühlten uns plötzlich nicht mehr sicher in New York, wo wir uns für die längste Zeit im Zentrum der Welt geglaubt hatten." Friedensaktivistin ist sie seit den Vorfällen vom 11. September: "Diese Attacke war wie ein abscheulicher Weckruf, der mich aus meiner politischen Lethargie aufgerüttelt hat", präzisiert Wren. Schon den Feldzug gegen Afghanistan habe sie nicht befürwortet, "doch diesmal hat das Kriegsgeläut nichts mehr mit dem Kampf gegen den Terror zu tun, sondern mit Geld, Macht und Öl." Die Filmemacherin Judy Rhee fühlt sich vor allem von den amerikanischen Medien schlecht informiert: "Bereits am Abend nach den Angriffen auf das WTC nahm die Berichterstattung die falsche Wende. Anstatt dass man die Situation zuerst einmal passieren ließ, sagte man den Leuten, wie sie darüber denken sollten - also dass so etwas wieder passieren könnte, wenn man nicht zurückschlage. Die Chance, die Gründe für die Attacke zu verstehen, wurde damit vertan." (Eva Stanzl/DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2002)