Krisenstimmung am Mediensektor herrscht derzeit allerorten. Doch das "Jammern" der Branche finde auf "relativ hohem Niveau" statt, betonte Eugen A. Russ vom Vorarlberger Medienhaus am Donnerstag bei den Österreichischen Medientagen. "Wir sind ja im Großen und Ganzen eine verwöhnte Branche", sagte auch Hans Gasser, Geschäftsführer der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Dennoch: Vor allem Qualitätszeitungen, die vom Boom der vergangenen Jahre besonders profitiert haben, müssten nun wirtschaftliche Rückschläge hinnehmen.

Tabuthema Personalabbau

Bei der SZ habe man erstmals in der Geschichte des Blattes einen Personalabbau beschlossen, mehr als zehn Prozent der Stellen habe man mittlerweile gestrichen, auch in der Redaktion. "Das war vorher auch ein Tabuthema." Potenzial haben für Gasser auch Kooperationen in redaktionsfernen Bereichen wie Vertrieb und Produktion.

Redaktion - "Kraft der Marke"

Unangetastet bleiben aber sollte seiner Ansicht nach die Redaktion und damit die "Kraft der Marke" eines Blattes: "Eine Zeitung wird wegen ihres Inhalts gekauft. Die Idee, Redaktionen zu fusionieren, halte ich schlichtweg für einen Irrweg".

Der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) "geht es im Moment ähnlich schlecht", berichtete Verlagsleiter Tobias Trevisan. "Wir sind genau in diesem Segment, das stark von den Inseratenrückgängen betroffen ist." Auch die NZZ hat daher erstmals in ihrer Geschichte einen Personalabbau angekündigt. "Das ist ein schwieriger Prozess, aber vielleicht auch ein wichtiger." Trevisans Prognose: Trotz Konjunkturaufschwungs sei mittelfristig mit starken Rückgängen zu rechnen. "Vielleicht ist die jetzige Situation eine gute Übung für das, was auf uns zukommt."

Müssen Zeitungen dick sein?

Als "einzige Special Interest-Tageszeitung Österreichs" sieht "WirtschaftsBlatt"-Chefredakteur Peter Muzik sein Blatt in einer anderen Situation. Das "WirtschaftsBlatt" kenne seine höchstmögliche Reichweite in einer klar definierten Zielgruppe. "Der Rekordsucht der Branche sind wir nicht erlegen. Wir wissen, dass unsere Reichweite immer begrenzt sein wird." Derzeit erreiche man mit 100.000 Lesern die Hälfte der Zielgruppe, die schwedische Bonniergruppe als Eigenümer gebe sieben Jahre Zeit, "um auch den zweiten Teil zu erreichen".

Für Muzik ist es außerdem "eine Klischeevorstellung, dass Zeitungen auch dick sein müssen", wie er sagte: "Je dicker eine Zeitung, desto mehr Prestige hat sie. Das widerspricht eigentlich dem menschlichen Schönheitsideal. Wir plädieren für schlanke Zeitungen."

Ebenfalls eine andere Ausgangbasis sieht Rudi Klausnitzer, Geschäftsführer der News-Gruppe, für seinen Verlag. "Für mich ist die derzeitige Situation die normale Situation, die fetten Jahre habe ich nicht kennengelernt", so Klausnitzer, der seine Funktion im News-Verlag seit Mitte des Jahres wahrnimmt. "Es geht uns eigentlich sehr gut, oder schlecht auf hohem Niveau. Damit können wir sehr beruhigt in die Tagesarbeit gehen", so seine gelassene Diagnose. Er vertrat die Ansicht, dass "im Moment durchaus Erfolge möglich" seien. Seine Rezepte dafür: Sich "stärker auf das operative Geschäft konzentrieren, angreifen statt verteidigen und neue Kundensegmente eröffnen".

Fahrschein bedrucken

Allerdings: "Mit den durchschnittlichen Kosten pro Seite eines Produkts der News-Gruppe kann man in Deutschland höchstens einen Fahrschein bedrucken", kommentierte Michael Grabner, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Holtzbrinck, Klausnitzers Ausführungen. Einen positiven Aspekt für die tägliche Arbeit jedenfalls konnte er den veränderten Rahmenbedingungen jedenfalls abgewinnen: "Wir dürfen beraterfrei agieren und wieder Power Point-frei arbeiten. Ich kann das nur empfehlen." (APA)