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Ausgestattet mit den höchstrichterlichen Insignien führten der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich (re.), und sein Stellvertreter Karl Korinek die öffentlichen Verhandlungen über die Ambulanzgebühr.

Foto: APA/ Hans Klaus Techt
Wien - "So, bitte jetzt einstellen." Das Fotografieren und Filmen nämlich. Mit diesen Worten eröffnete der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Ludwig Adamovich, am Donnerstag eine brisante Verhandlung. Zuhören durften die Beobachter weiter. Denn die umstrittenen Ambulanzgebühren standen öffentlich auf dem Prüfstand der Höchstrichter. Nicht zum ersten Mal, denn bereits im März 2001 haben die obersten Richter des Landes das entsprechende Gesetz wegen formaler Fehler aufgehoben. Aufgrund eines Antrages der SPÖ-Abgeordneten und mehrerer Patientenbeschwerden beschloss der VfGH ein Gesetzesprüfungsverfahren. Verhandelt wurde allerdings nicht die jüngste Fassung der Ambulanzgebühren, denn die Koalition hat angesichts des erwarteten Erkenntnisses in der letzten Sitzung des Nationalrates vor der Wahl in der Vorwoche im Schnellverfahren eine "Reparatur" beschlossen. Damit sind ab 1. Oktober alle Patienten von der Gebühr befreit, die zum Zeitpunkt ihres Ambulanzbesuches in ihrer Nähe keinen niedergelassenen Facharzt erreichen konnten. Dies gilt auch rückwirkend für alle "anhängigen Fälle" - jene, die gegen eine Vorschreibung einen aufschiebenden Bescheid gefordert haben. Verfassungsrichter Rudolf Müller bekräftigte die Haltung des VfGH, dass gegen den angestrebten Lenkungseffekt keine Bedenken bestünden, wohl aber gegen Gebühren für medizinische Leistungen, die von Ärzten nicht oder nicht in zumutbarer Entfernung angeboten werden. Die Ambulanzgebühr sei "unsachlich, gleichheitswidrig und dem Eigentumsgrundsatz widersprechend", sagte der Vertreter der Kläger, SP-Justizsprecher und Rechtsanwalt Hannes Jarolim. Beide Ziele, Lenkungseffekt und Kostensenkung, seien ins Leere gegangen. Die Vertreter der Regierung erklärten, der Lenkungseffekt habe zwar eine große Rolle für die Einführung der Gebühr im Jahr 2001 gespielt, sei aber nicht die alleinige Motivation gewesen. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könne nicht gesprochen werden, sei der Selbstbehalt von 10,90 oder 18,20 Euro doch kein so großer Eingriff. Den Lenkungseffekt massiv in Zweifel zog ein Vertreter der Wiener Gebietskrankenkasse: Im Hanuschkrankenhaus (dort werden zehn Prozent aller Wiener Ambulanzfälle behandelt) sei die Zahl der Ambulanzfälle im ersten Quartal 2002 gegenüber dem Vorjahr um 37,5 Prozent gestiegen. Die Inanspruchnahme niedergelassener Ärzte sei um 1,3 Prozent gesunken. Das Erkenntnis des VfGH ergeht schriftlich. (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2002)