STANDARD: Bei den Österreichischen Medientagen erklären Sie der Branche, welche publizistischen und wirtschaftlichen Chancen Privatfernsehen via Hausantenne in Österreich hat. 2001 haben Sie empfohlen, Privat-TV analog besser gleich zu vergessen.

Trappel: Meine Skepsis ist geblieben. Die Rahmenbedingungen haben sich inzwischen sogar weiter verschlechtert. Als wir im April 2001 die Wirtschaftlichkeitsaussichten analysierten, war das ganze Ausmaß der wirtschaftlichen Talfahrt noch nicht sichtbar. Auch die Werbemärkte sind seither stark eingebrochen. In so einer Situation wird es schwer sein, österreichweites terrestrisches Privat-TV zu finanzieren. Man muss über mehrere Jahre hinweg mit herben Verlusten rechnen.

STANDARD: Bis ATV on air ist - wohl nicht vor Herbst 2003 -, hat Berlin analoge Frequenzen schon völlig abgedreht.

Trappel: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Von analogem terrestrischen Privatfernsehen sind keine innovativen Impulse zu erwarten - am ehesten noch im lokalen oder regionalen Raum. Aber aus der Stagnation führt kein analoger Weg heraus. Digitales Fernsehen hingegen bietet neue Formate und Formen. Diese Chance hat die österreichische Medienpolitik letztes Jahr mutwillig verschenkt.

STANDARD: Digital sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Privatfernsehen aber noch schlechter: Zu sehen bekommt es nur, wer einen Decoder hat.

Trappel: Stimmt. Aber wo 80 Prozent der Haushalte Fernsehen über Kabel oder Satellit empfangen, spielt der terrestrische Empfang nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Digitalisierung hat via Satellit begonnen und kommt über Kabel gut voran. Über kurz oder lang werden neue Fernsehgeräte mit dem eingebauten Digitaldecoder in den Verkaufsregalen stehen, und die Konsumentinnen und Konsumenten merken es gar nicht. Beschleunigen kann man die Verbreitung über neues, innovatives Programm.

STANDARD: Wann ist der völlige Umstieg realistisch? In den USA ist eine Gesetzesinitiative unterwegs, die ihn 2006 innerhalb eines Jahres vorsieht.

Trappel: Österreich wird nach der Entscheidung, analoge TV-Lizenzen zu vergeben, keinen eigenen Weg mehr gehen können, sondern sich Deutschland anschließen. Dort aber klemmt die Digitalisierung bei veralteten Kabelnetzen der Deutschen Telekom und Unvermögen, sie an Investoren zu veräußern.

STANDARD: Noch vor ATV kommen in Österreich - analog - regionale und private Programme per Hausantenne in Salzburg und Linz, ein regionales Jugendprogramm in Wien und schließlich - auf einer bisherigen ORF-Frequenz - ein Wiener Regionalprogramm per Hausantenne dazu. Ich nehme an, Sie haben die oder zumindest über die Konzepte gelesen. Welche Chancen geben Sie denen?

Trappel: Lokales und regionales Fernsehen zielt auf eine Marktnische, die der ORF mit nur einer Sendung - dafür aber mit der erfolgreichsten überhaupt - bespielt. "Bundesland heute" kann von den privaten Stationen programmlich ergänzt werden. Allerdings sind die Herstellungskosten für solche Sendungen beträchtlich. Gelingt den Veranstaltern eine gute Mischung aus lokalem und regionalem Talk mit Nachrichten aus der Region, kann ein sehenswerter Mix entstehen.

STANDARD: Woher das Geld?

Trappel: Werbefinanzierung geht bei solchen Programmen teils auf Kosten des ORF, teils auf jene der Regionalverleger.

STANDARD: Der ORF hat allerdings keine regionale TV-Werbung, also könnte es nur auf Kosten von Kooperationen oder Radiowerbung gehen.

Eine neue Prognos-Studie sagt voraus, die Werbekonjunktur im deutschsprachigen Raum erholt sich schon 2003. Ist das Zweckoptimismus des Beraters, dessen Unternehmen der Sparkurs der Medienbranche trifft, die Auftraggeber für Studien ist?

Trappel: So einfach ist das Beratungsgeschäft auch wieder nicht. Unsere optimistische Prognose gründet nicht auf Opportunismus, sondern auf einen in der Vergangenheit wiederholt beobachteten Effekt. Hat nach zwei schlechten Jahren die Konjunktur Anzeichen von Erholung gezeigt, haben die Werbemärkte "überreagiert". Starkes Wachstum war die Folge. Eine solche Konstellation finden wir gegenwärtig wieder vor. Zieht nach den beiden schwachen Jahren die Konjunktur nächstes Jahr auch nur leicht an, so ist mit einem guten Werbejahr zu rechnen. Geschieht dies aber nicht, so bleibt auch das Werbewachstum aus. Die Abenteuer der US-amerikanischen Außenpolitik sind ein unberechenbarer Faktor.

STANDARD: Gestern, Dienstag, präsentierten Sie in Basel eine Untersuchung über die Zukunftsperspektiven des Medienmarktes im deutschsprachigen Raum. Wohin soll die Reise gehen?

Trappel: Wir halten die gegenwärtige Branchenkrise weder für strukturell noch für nachhaltig. Vielmehr normalisieren sich gegenwärtig die Verhältnisse nach der Euphorie um die New Economy. Jetzt beginnt sich die Spreu vom Weizen zu trennen. UMTS kommt später und vorerst nur für einen kleinen Kundenkreis. Die Nutzung der Onlinemedien nimmt als einzige Mediengattung signifikant zu. Zeitungen verlieren weiter Auflage, nur in Einzelfällen können sie ihre Auflagezahlen halten oder ausbauen. Dafür sind demografische Trends mitverantwortlich, die sich bis 2010 deutlich auswirken.

STANDARD: Was werden wir Ihrer Prognose nach künftig zu sehen und hören bekommen?

Trappel: Das Fernsehen bleibt bis auf weiteres das Leitmedium für Unterhaltung und Entspannung. Mit den Onlinemedien etabliert sich aber eine deutlich aktivere Nutzungsform, die immer weitere Teile der Bevölkerung erfasst. Schrittweise mehr Interaktivität und mehr Inhalte, die über mehrere Medien angeboten werden, sind daher wahrscheinlich. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 25.9.2002)