Washington/Wien/London - Notenbankchef Alan Greenspan und zehn seiner zwölf Kollegen entschieden am Dienstag erwartungsgemäß, die Leitzinsen bei 1,75 Prozent zu halten. Der Leitzins für die kurzfristige Geldbeschaffung der Privatbanken bleibt damit auf dem niedrigsten Stand seit rund 40 Jahren. Die niedrigen Zinssätze und die wachsende Produktivität bieten einer Erklärung der Notenbank zufolge ausreichenden positiven Anreiz für das Wirtschaftsklima. Die Fed wies jedoch auch auf "erhöhte geopolitische Risiken" hin, die zur Ungewissheit über den Verlauf der Konjunkturerholung beitragen würden. Keine einstimmige Entscheidung Seit der letzten Zusammenkunft im August zeige sich ein Ansteigen der Nachfrage, erklärte die Fed. Angesichts der derzeitigen politischen Spannungen sei aber nicht sicher, wann der erwartete Aufschwung eintreten werde. Zwei von Greenspans Kollegen wollten den Leitzins für die kurzfristige Geldbeschaffung weiter absenken. Ölpreis-Schock mit geringen Asuwirkungen Die Auswirkungen eines Militärschlages gegen den Irak auf den Ölpreis wären nach Einschätzung von US-Notenbank-Chef Alan Greenspan geringer als bei früheren Kriegen. Allerdings bewirke Kriegsgefahr Unsicherheit und führe zu einem höheren Risikoaufschlag. Im Anschluss an seine Rede vor der Society of Business Economists sagte Greenspan am Mittwoch in London, ein Ölpreis-Schock müsste heutzutage wesentlich ausgeprägter ausfallen, um Auswirkungen auf die Wirtschaft zu haben. Es gebe aber Gründe anzunehmen, dass ein möglicher Ölpreisanstieg nicht so ausgeprägt wäre wie während des Golfkrieges. Er fügte hinzu, den jüngsten Rezessionen in den USA seien jeweils Ölpreis-Schocks vorausgegangen. Weltwirtschaft ist widerstandsfähiger geworden Die Weltwirtschaft hat in den vergangenen Jahren nach den Worten von Greenspan eine wesentlich größere Fähigkeit entwickelt, unerwartete Schocks zu bewältigen. Der Fed-Chef sagte am Mittwoch in London, die Entwicklung der US-Wirtschaft während der vergangenen zweieinhalb Jahre demonstriere diese neu gewonnene Stärke, von der er spreche. "Trotz der Auswirkungen des Wertverlusts von acht Billionen Dollar am Aktienmarkt, des scharfen Rückgangs der Investitionen und natürlich der tragischen Ereignisse vom 11. September 2001 hat sich unsere Wirtschaft stabil gehalten", sagte er. Er fügte hinzu, das anhaltend langsame Wachstum der Weltwirtschaft lasse aber die Sorge aufkommen, dass die Talsohle noch nicht erreicht sein könnte. Analysten gespalten Analysten zeigten sich nach dem Entscheid lediglich von der Tatsache überrascht, dass die Fed ihren Beschluss entgegen der üblichen Praxis nicht einstimmig fasste. Die Erklärung der Fed lasse auf ein wenig Enttäuschung schließen, "dass sich die Dinge seit dem letzten Treffen nicht besser entwickelt haben", sagte der Analyst Jay Mueller von Strong Capital Management. Als "leicht positiv" beurteilte hingegen Howard Kornblue von Merrill Lynch Private Banking die Erklärung. "Sie hätten auch sagen können, dass sich die Konjunktur schwächer als erwartet entwickelt." (APA/Reuters, red)