Kosovo
Große Mehrheit für Aufnahme Jugoslawiens in Europarat
Bestätigung erst im November - Befriedigung in Belgrad
Straßburg/Belgrad - Mit überwältigender Mehrheit hat der
Europarat Jugoslawien eingeladen, als 45. Mitgliedstaat der
Demokratie- und Menschenrechtsorganisation beizutreten. 122 von 132
anwesenden Abgeordneten stimmten am Dienstag in Strassburg für die
Aufnahme der Föderation, nur sechs sprachen sich dagegen aus.
Allerdings will der Europarat mit der endgültigen Bestätigung bis zur
Verabschiedung der neuen Verfassung für die Föderation Serbien und
Montenegro zuwarten. Voraussichtlich werde das Ministerkommittee des Europarates
bereits bei seiner Herbstsession Anfang November grünes Licht geben
können, sagte eine Sprecherin der Organisation. Umstritten zwischen
Belgrad und Podgorica ist noch der Wahlmodus der Delegierten in das
gemeinsame Parlament. Serbien drängt auf die Direktwahl der
Abgeordneten, während der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic
die Wahl der Abgeordnetendelegation durch das Republikparlament
befürwortet.
Die 306 Parlamentarier aus den Parlamenten der 44 Mitgliedstaaten
erhoffen sich von diesem mit dem Einigungsvorbehalt versehenen
Aufnahmebeschluss einerseits einen neuen Impuls zur Wiederaufnahme
der Verfassungsverhandlungen und darüber hinaus ähnlich wie im
Fall Bosnie-Herzegowinas durch die Bereitschaft zur Aufnahme des
Landes einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des noch sehr
fragilen Staatsgebildes.
Um die Einbindung Jugoslawiens in das Rechtssystem des Europarats
zu ermöglichen, ist die Versammlung bereit, auch bei dieser
Entscheidung über erhebliche Mängel bei der Erfüllung der
rechtsstaatlichen und demokratischen Voraussetzungen für eine
Mitgliedschaft in Kauf zu nehmen. Wie bei fast allen früheren
kommunistischen Staaten ist der Aufnahmebeschluss deshalb mit einer
umfangreichen Liste über die noch zu vollziehenden innerstaatlichen
de Reformen, zum großen Teil mit konkreten Fristsetzungen, versehen,
zu deren Einhaltung sich alle politischen Institutionen der
Bundesrepublik verpflichten müssen. Unter anderem muss in Montenegro
die dort noch bestehende Todesstrafe innerhalb von sechs Monaten
abgeschafft werden.
In belgrad bezeichnete der jugoslawische Parlamentspräsident
Dragoljub Micunovic die geplante Aufnahme der Bundesrepublik
Jugoslawien in den Europarat als "großen Tag" für seine Bürger Dies
sei der erste Schritt für die europäischen Integrationen, wurde
Micunovic vom Belgrader Sender "B-92" zitiert. Die Aufnahme
Jugoslawiens sei allerdings auch ein wichtiger Tag für Europa. Zum
ersten Mal in seiner Geschichte werde ihre demokratische Familie
komplettiert sein, meinte Micunovic.
In Belgrad, wo der Kampf um das Präsidentenamt tobt, wird vor der
Präsidentenwahl der Anspruch, zur Annäherung Jugoslawiens an die
europäischen Integrationen beigetragen zu haben, von beiden führenden
Präsidentschaftskandidaten erhoben. Während der jugoslawische
Präsident Vojislav Kostunica behauptet, sich für die Wahrung des
gemeinsamen serbisch-montenegrinischen Staates verdient gemacht zu
haben, deutet der jugoslawische Vizeministerpräsident Miroljub Labus
auf seine Erfolge im Wirtschaftsbereich.
Jugoslawische Behörden hoffen, Anfang nächsten Jahres in die
NATO-Partnerschaft für den Frieden aufgenommen zu werden und auch das
Assoziation- und Stabilitätsabkommen mit der EU abschließen zu
können. Im Jahr 2010 werde sich Jugoslawien der EU anschließen, hofft
Labus bereits.
Analytiker der Verhältnisse in Belgrad warnen jedoch, dass
Jugoslawien schwierige Wirtschafts- und politische Reformen erst
bevorstehen. In den kommenden zwei Jahren würden internationale
Spenden (1,2 Milliarden Dollar in den letzten zwei Jahren) rasch
abnehmen, es gelte den Staatszug möglichst bald auf das Gleis und
zwar in die richtige Richtung zu stellen, wurde ein Mitarbeiter des
Belgrader Institutes für europäische Studien, Jovan Teokarevic, von
den Medien zitiert. (APA)