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Ein vor Sizilien gesunkene Schiff, das Flüchtlinge an Bord hatte, schaut noch knapp aus dem Wasser hervor.

Foto: REUTERS/Tony Gentile
Zunächst wurden am Sonntag neun Leichen aus dem Meer vor der Stadt Scoglitti im äußersten Süden Siziliens gefischt, am Montagmorgen hatte sich die Zahl der Toten schon auf 15 erhöht. Die Behörden mussten die Liste der Toten von Stunde zu Stunde erweitern, insgesamt könnten wieder mehr als 30 Einwanderer im Meer ertrunken sein. Bei hohem Wellengang und starkem Wind hatten Schlepper mehr als 60 illegale Einwanderer etwa 300 Meter vor der Küste abgesetzt, um nicht von der Küstenwache ertappt zu werden. Die wenigen Über- lebenden berichteten, sie seien "wie Müllsäcke ins tobende Meer geworfen worden", dabei hätten die Schlepper gewusst, dass auch Nichtschwimmer an Bord waren. Es ist die zweite Flüchtlingstragödie innerhalb von nur einer Woche, als vor Agrigent ein Flüchtlingsboot gegen einen Felsen prallte. Die Zahl der Toten durch dieses Unglück wird derzeit mit 40 angegeben, Überlebende erzählen aber, dass noch deutlich mehr Menschen auf dem Flüchtlingsboot waren. 30 Prozent Zunahme Die Zahl der illegalen Einwanderer hat sich in jüngster Zeit dramatisch erhöht, Montagvormittag sind auf der Insel Lampedusa wieder 105 Bootsflüchtlinge gestrandet, sie kommen aus Palästina, dem Irak und Liberia. Seit Jahresbeginn haben mehr als 16.000 Flüchtlinge die Küsten Italiens erreicht - diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent höher. Die neue Einwanderungswelle wird paradoxerweise auch auf das neue italienische Einwanderungsgesetz zurück- geführt. Die Flüchtlinge gaben an, man habe sie darüber informiert, dass man in Italien eine Aufenthaltsgenehmigung erhalte, wenn man einer Arbeit nachgehe. In der Tat erlaubt die italienische Regierung derzeit den Schwarzarbeitern aus Nicht-EU-Ländern, die seit einem Jahr in Italien sind, das Auftauchen aus der Illegalität. Neu einreisende Wirtschaftsflüchtlinge aber werden, soweit sie nicht staatenlos sind, weiterhin in ihre Heimat abgeschoben. Innenminister Beppe Pisanu hat angesichts des neuen Flüchtlingsstroms einen verzweifelten Hilferuf an die europäischen Partner gerichtet. Italien brauche Hilfe, um die 8000 Kilometer lange Küste überwachen zu können, die EU müsse im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Einwanderungspolitik die riesigen Flüchtlingsströme zentral zu steuern versuchen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2002)