Foto: Einhorn
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Ein Superstar zu werden - das erfordert in Hongkong eine aus westlicher Sicht ungewöhnliche Vielseitigkeit. Andy Lau, in seiner Heimat ein Idol, erzählte darüber in Wien anlässlich der Präsentation seines jüngsten Thrillers "Fulltime Killer".


Wien - Der Auftragskiller ist ein Filmfreak, der sich in seinem Metier als Hauptdarsteller betrachtet. Mit dementsprechend theatralischer Note geht er zu Werke. Wie einst in Kathryn Bigelows Thriller Point Break trägt er beispielsweise eine Maske eines US-Präsidenten, wenn er wieder einmal auf offener Straße ein paar Menschen erschießt.

Wenn er sie abnimmt, hat er stets ein narzisstisches Lächeln auf dem Gesicht. Tok heißt einer der Fulltime Killer im gleichnamigen jüngsten Gangsterthriller von Johnny To (The Mission), Hongkongs Superstar Andy Lau verkörpert ihn. Es ist nicht die einzige selbstreferenzielle Note in diesem Film, der einen bewährten Topos des Genres - das Duell der beiden effizientesten Killer - als sportlichen Wettkampf in mehreren Etappen aufzieht.

To setzt dabei ganz unverhohlen auf das öffentliche Image Laus, der in seiner Heimat regelmäßig für Kreisch- und Ohnmachtsanfälle bei den weiblichen Fans sorgt. Fulltime Killer ist bereits die zweite Zusammenarbeit der beiden: In Running Out of Time lieferte sich Lau als todkranker Gangster ein letztes Gefecht mit seinem ausdauerndsten Verfolger, einem Polizisten. Das war auch der Grund, sagt Lau im STANDARD-Interview, warum er nun nicht den stoischen Killer gibt:

"Toks Kontrahent wäre keine Abwechslung gewesen. Aber dennoch hatte ich wenig Vertrauen in den Part - ich sagte zu To: 'Du hast zwei Wochen, um mich von dieser Rolle zu überzeugen.' Er bereitete die Szenen vor, dann meinte er: 'Ich will, dass du in diesem Film einen Superstar spielst. Du musst in jeder Szene die Gewissheit ausstrahlen, dass du die Nummer eins bist, der Beste.' Da fand ich die Rolle plötzlich sehr herausfordernd, sie war etwas Neues in meiner Karriere."

Weltrekordler

Dass es in Laus Karriere noch ungewöhnliche Parts gibt, erstaunt eigentlich: Der Mann hat - 1961 geboren - in den letzten zwanzig Jahren in über hundert Filmen mitgewirkt, und er hat es überdies sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft, weil er - und das schon beim Stand 2001 - bereits 292 Preise gewonnen hat. Nicht nur fürs Schauspielen übrigens, denn Lau ist auch einer der populärsten Cantopop-Stars.

Vielseitig und dennoch immer sofort erkennbar, mehrheitsfähig, aber deshalb kein widerspruchsloser Held, ist Lau im asiatischen Raum tatsächlich ein Phänomen - das Produkt langjähriger Arbeit. "Hongkong ist ein seltsamer Markt", so Lau. "Er ist zunächst sehr klein. Die Fans wollen von ihrem Künstler alles haben - wenn du ein Star werden willst, musst du singen, schauspielen, tanzen und akrobatisch kämpfen können. Insofern muss man sehr gut mit Zeit umgehen können, vieles auf einmal machen." Und er fügt hinzu: "Ich habe dafür ein gutes Management."

Mit Hollywood lässt sich diese Vorgehensweise kaum vergleichen: In seinen produktivsten Phase drehte Lau 14 Filme im Jahr, vier davon zugleich, übernachtete damals im Wagen. "Es war die Hölle", kommentiert er es heute - bei der im Westen oftmals bewunderten Effizienz von Hongkongs Filmindustrie sollte man auch nicht vergessen, dass es sich um einen Exploitation-Markt handelt. Pausen kann man sich als Star dieser Größenordnung nicht leisten.

Das erklärt auch, warum Andy Lau nach As Tears Go By und Days of Being Wild nicht wieder mit Wong Kar-wai gearbeitet hat: Der Regisseur braucht für seine Filme mittlerweile zu lange. Inzwischen hat Lau seine eigene Firma, Teamwork, die etwa hinter Fruit Chans The Longest Summer und Made in Hongkong steht. Auch Fulltime Killer hat er selbst produziert.

Der Film ist nicht nur darin ungewöhnlich, dass Johnny To, den man bisher als einen Regisseur der Reduktion und Konzentration kannte, das Geschehen äußerst elliptisch anlegt - ohne jedoch aktionistische Einlagen zu vernachlässigen. In Fulltime Killer wird auch in vier Sprachen gesprochen - ein deutliches Indiz dafür, dass der Film den gesamten panasiatischen Raum anvisiert.

Lau: "In Hongkong werden derzeit drei Grundtypen von Filmen hergestellt: Es gibt einen sehr kommerziellen Sektor, der hauptsächlich auf die USA ausgerichtet ist, einen eher künstlerischen für Europa und einen nüchternen, realistischen für China."

Anders als seine ehemalige Kollegen Chow Yun-Fat oder Jackie Chan, plant Lau übrigens nicht den Sprung nach Hollywood. Auf die Frage, ob er denn überhaupt noch Ziele hat, antwortet er vielmehr ohne zu zögern: "In Europa berühmter werden." Um gleich darauf wieder ein wenig selbstironisch zu grinsen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2002)