RZB-Chefanalyst: Situation an den Aktienmärkten könnte Notenbankchefs Zinssenkungen geradezu "aufdiktieren"
Redaktion
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Wien - Die internationalen Aktienmärkte weisen bereits seit
einem guten Dreivierteljahr derzeit "gewisse Paradoxien fern aller
Lehrbücher auf", ist der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank
Österreich (RZB), Peter Brezinschek, überzeugt. "Was wir derzeit
sehen, ist eine totale Risikominierung" der Anleger, die in diesem
Ausmaß und ihrer Hartnäckigkeit keine fundamentale Grundlage habe,
sagte Brezinschek.
Der breite US-Börsenindex S&P-500 habe zwischen April und August
rund 30 Prozent seines Wertes eingebüßt. Diese Situation könnte
EZB-Chef Wim Duisenberg und Fed-Chef Alan Greenspan Zinssenkungen
geradezu "aufdiktieren", meint Brezinschek.
"Bocksprünge"
Zugleich verzeichnen auch die Aktienkurse unberechenbare
Bocksprünge, was sich in einer hohen so genannten Volatilität
ausdrückt. "Die Tagesvolatilitäten sind derzeit so hoch wie in der
Zeit nach der Börsenkrise 1987, die Monatsvolatilität ist
vergleichbar mit der Zeit nach der Russlandkrise im August 1998",
sagte Brezinschek.
Die Ursachen dafür sieht der RZB-Finanzmarktexperte in der
Psychologie der Börsen begriffen, wo es zu einem "Machtkampf zwischen
Optimisten und Pessimisten" gekommen sei. Anleger halten sich fern
von risikoreichen Veranlagungen - und rechnen dazu auch bereits
Unternehmensanleihen (corporate bonds).
"Total überzogene Gewinnschätzungen"
Die Serie der Bilanzfälschungen in den USA - Stichworte Enron und
WorldCom - haben laut Brezinschek das Anlegervertrauen nachhaltig
erschüttert. "Das große Knattern hat mit Enron eingesetzt", sagte der
RZB-Chefanalyst. Der 11. September spiele in diesem
Zusammenhang kaum eine Rolle. "Total überzogene Gewinnschätzungen"
sowie enttäuschte Hoffnungen auf eine baldige Trendwende seien für
die anhaltende Negativstimmung verantwortlich. Die Märkte hätten wohl
weniger negativ reagiert, wenn sich die Skandale um Enron oder
WorldCom als Einzelfälle erwiesen hätten.
Um aus der Misere herauszukommen, müssten überzogene
Gewinnerwartungen um 15 Prozent per annum auf realistische 7 bis 10
Prozent heruntergeschraubt werden, meint Brezinschek. (APA)
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