Keramik-Sammlern ist der Markenschriftzug "Anzengruber" - gestempelt oder graviert - längst ein Begriff. Irgendwann stolpert man im geläufigen Sinn über eine der putzigen Figuren, manierliche Pudel, aristokratische Katzen, niedlichen Kakteen-Schweinchen, Zahnstocherpferdchen oder "Eingeborenen"-Plastiken. Wenn man ein Keramik-Liebhaber ist. Überzeugte Puristen ordnen diese Erzeugnisse in die Kategorie Tand, Liebhabern der künstlerischen Keramik vom Range Wiener Werkstätte, Goldscheider oder auch Bimini ist Anzengruber zu kommerziell angelegt. Aber das hat so mancher auch von Bosse behauptet, bis nach der ersten Bosse-Publikation seine Werke quasi aus allen Ritzen des Marktes hervorgeholt wurden.

Seit kurzem liegt nun eine Übersicht über Anzengruber Keramik in Buchform vor. Autorin und Keramik-Sammlerin Uta Matschiner spürte in mühevoller Kleinarbeit und zuletzt mit Unterstützung der Ehefrau von Leopold Anzengruber alle Modelle, Fakten, Fotos, Urkunden und Geschichten auf, fasste sie in erwähnter Lektüre zusammen.

Der als Schlosser ausgebildete Anzengruber begab sich Anfang der 30er Jahre auf Wanderschaft Richtung Süden, kam über Dekorentwürfe für einen Exporteur von Florentiner Majoliken zum Werkstoff Keramik. In Italien (Vietri sul Mare, Neapel, Florenz) sammelte er erste Erfahrungen im Modellieren und kehrte Anfang der 40er Jahre nach Österreich zurück, arbeitete in verschiedenen Keramikmanufakturen Wiens und gründete 1949 ein eigenes Unternehmen: "Anzengruber - Keramik - Wien". Bis zu seinem Tod 1979 und der Löschung der Firma im Handelsregister 1985, entstand hier eine Vielfalt am allgemeinen Publikumsgeschmack orientierten Keramiken. Auf kleinere Figuren stößt man immer wieder auf Flohmärkten, manchmal finden sie auch den Weg ins Dorotheum zu Varia-bzw. Kleinkunstauktionen.

"Das Gros dieser Figuren ist mit etwa 220 Euro veranschlagt", so Regine Herbst. Die im Bereich Antiquitäten für Fayencen und Keramiken zuständige Spezialistin fügt allerdings hinzu, dass größere Stücke der 50er Jahre - "vor allem die Eingeborenen-Plastiken" - von manchen Sammlern schon mal teurer, so um die 700, ja auch bis zu 1400 Euro angekauft würden. Seit Anfang der 50er Jahre gehörten die unzähligen so genannten Neger-Modelle bis in die frühen 60er Jahre zum wichtigsten Produktionssegment. Vorliegendes Buch liefert jedenfalls vielseitige Einblicke in die populistisch orientierte Keramikproduktion der 50er Jahre. (Olga Kronsteiner/DER STANDARD; Printausgabe, 21.09.2002)