Inland
Jugendgerichtshof wird übersiedelt
Neuer Standort im Straf-Landesgericht - Böhmdorfer immer noch von Sinnhaftigkeit der Auflösung überzeugt
Wien - Der Wiener Jugendgerichtshof (JGH) wird als Ganzes
von der Rüdengasse in das Landesgericht für Strafsachen übersiedeln.
Da das geplante Gesetz zur Auflösung des JGH wegen der vorzeitigen
Neuwahlen nicht mehr beschlossen werden konnte, wird der JGH als
gesamte Organisationseinheit nun per Erlass übersiedelt, erklärte
Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) am Freitag gegenüber der APA.
"Ausgeschlossen" sei, den JGH in der Rüdengasse zu belassen, weil die
dortigen Hafträume menschenrechtsunwürdig seien. "Die Alternative wäre, diese Anti-Folterkonventions-widrigen
Zustände zu belassen. Das kann ich nicht tun", so Böhmdorfer.
Außerdem habe er rasch handeln müssen, weil die JGH-Verhandlungen
ausgeschrieben werden müssten; "da muss der Ort bekannt sein." Platz
am Landesgericht sei genügend vorhanden. Um die fünf Bezirksrichter,
die eigentlich auf Bezirksgerichte verteilt worden sollten,
unterzubringen, werde die Wiener Jugendgerichtshilfe in die
benachbarte Justizanstalt Josefstadt übersiedelt. Wann der Umzug
stattfindet, müsse noch fixiert werden. Der Mietvertrag für das
Gebäude in der Rüdengasse sei schon seit dem Sommer gekündigt.
Mit der reinen Übersiedlung des Gerichtshofes komme man auch dem
Wunsch der Richter entgegen, "das ist ein Kompromiss", so Böhmdorfer.
Der JGH bleibe als Ganzes bestehen - also samt eigener
Jugend-Staatsanwaltschaft und einem eigenen Präsidium. Da Präsident
Udo Jesionek mit Ende des Jahres in Pension geht, müsse diese Stelle
ausgeschrieben werden. Wer neuer JGH-Präsident wird, will Böhmdorfer
in dieser Regierungsperiode aber nicht mehr entscheiden.
In Koalitionsvereinbarung
Sollte Böhmdorfer in der nächsten Regierung wieder Justizminister
werden, will er die Frage des JGH zum Gegenstand in der
Koalitionsvereinbarung machen. Er ist immer noch von der
Sinnhaftigkeit seines ursprünglichen Planes überzeugt, den JGH
aufzulösen und die Agenden dem Straf-Landesgericht bzw. den
Bezirksgerichten zu übertragen. Schließlich gebe es, bekräftigte der
Minister, am JGH neben den "menschenrechts-unwürdigen Hafträumen"
auch "unerklärlich niedrige ATA-Zahlen". Außerdem habe er "aus ganz
Österreich", auch von Richtern, Signale bekommen, dass es nicht nötig
sei, in Wien einen eigenen JGH zu haben.
Außerdem würde Böhmdorfer seinen Plan weiter verfolgen, eine neue
Jugend-Strafanstalt am Stadtrand zu errichten. Vom Finanzminister
wäre dieser Neubau in den Budgetverhandlungen schon genehmigt worden,
berichtete er. Er habe den Finanzminister von der Sinnhaftigkeit der
"neuen Gebäudephilosophie 'Heraus aus den alten Klöstern'" überzeugen
können, in deren Zuge man ja auch zahlreiche alte Gebäude abstoße.
Jesionek: "Politik der verbrannten Erde"
Der Präsident des Jugendgerichtshofes, Udo Jesionek,
übte am Freitag scharfe Kritik an der Übersiedlung des
Jugendgerichtshofes in das Landesgericht für Strafsachen.
Justizminister Dieter Böhmdorfer (F), der diese Übersiedlung per
Erlass vornimmt, betreibe eine "Politik der verbrannten Erde",
nachdem sein Plan, den JGH zu zerschlagen, an der vorgezogenen
Neuwahl scheiterte, sagte Jesionek. Der Präsident
des Straf-Landesgerichtes, Günter Woratsch, betonte, dass ohne
weitere Maßnahmen nicht genügend Platz für den gesamten JGH im Grauen
Haus sei.
"Das ist reines Bestemm, weil der Minister weiß, dass, wenn er
keine Regierungsverantwortung mehr hat, der JGH nicht aufgelöst
wird", kritisierte Jesionek. Es sei "arg", dass der Minister, nur
weil er seinen Plan nicht durchgesetzt habe, "jetzt ein Präjudiz
setzt, das den Staat eine Menge Geld kostet, und wahrscheinlich in
der nächsten Legislaturperiode wieder rückgängig gemacht wird".
Jesionek geht davon aus, dass die von Böhmdorfer geplante
Auflösung des JGH in der nächsten Legislaturperiode nicht
durchgeführt wird. Schließlich seien 90 Prozent der Stellungnahmen in
der Begutachtung negativ gewesen, auch die ÖVP habe zuletzt
Vorbehalte geäußert. Der Ende des Jahres in Pension gehende
JGH-Präsident plädierte dafür, jetzt nicht übereilte Schritte zu
setzen, sondern in Ruhe über eine umfassende Reform der
Jugendgerichtsbarkeit zu beraten.
Woratsch trat der Darstellung entgegen, im Landesgericht gebe es
genügend Platz, um den JGH als Ganzes aufzunehmen. "Da wird es zu
weiteren Absiedlungen kommen müssen." Die Übersiedlung der
Jugendgerichtshilfe in die Justizanstalt löse das Problem nicht zur
Gänze. "Anstandslos gegangen" wäre die Eingliederung der
Jugend-Strafrichter samt des "Netzwerks". Wenn aber der gesamte JGH
übersiedelt wird, müsse man fünf Richter mehr, ihre Kanzleikräfte und
auch das Präsidium im Landesgericht unterbringen. (APA)