Wien - Radikale Töne? Gibt es nicht. Infrastrukturminister Mathias Reichhold, der sich Samstag der Wahl des FPÖ-Parteitages stellt und auch Spitzenkandidat werden will, eckt derzeit nirgendwo an.Aber obwohl es derzeit so aussieht, als wäre Jörg Haider innerparteilich in Ungnade gefallen, hat er nach wie vor seinen Fanclub, der andere für das Chaos verantwortlich macht. Die ÖVP zum Beispiel. In ihr gebe es starke Kräfte, die die FPÖ beschädigen wollten, sagt einer, der in Knittelfeld dabei war. Die blaue Regierungsriege habe sich als Steigbügelhalter missbrauchen lassen. Und im Übrigen hätte Riess-Passer ohnehin seit längerer Zeit einen Ausstieg geplant, unken die Knittelfelder. Riess-Passer, Karl-Heinz Grasser, Jörg Haider sowie Peter Westenthaler werden dem Parteitag fernbleiben. Doch es gibt Gerüchte, dass Riess-Passer in anderer Form in die Politik zurückkehren könnte: als FP-Spitzenkandidatin für die Tiroler Landtagswahlen 2003. Über Westenthaler ätzt man, er beziehe trotz seines Rücktrittes weiterhin die Gage als Klubobmann. In diversen Parteisitzungen am Freitag ging es der FPÖ um Wahlteam und (eine ziemlich breite) Parteispitze. Vor Sitzungsende wurden Herbert Haupt, Hubert Gorbach und Herbert Scheibner als Reichhold-Stellvertreter genannt. Auch OÖ-Landesrätin Ursula Haubner könnte gemeinsam mit Willi Tilg (Tirol) Vize werden. Außerdem rechnete sich der Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn Chancen aus. Weiters wurden die Namen Max Walch (Oberösterreich) und Stefan Salzl (Burgenland) genannt. An vorderster Front in die Wahl zieht neben Reichhold möglicherweise die EU-Abgeordnete Daniela Raschhofer. Raschhofer hat sich als Galionsfigur der Putsch-Kritiker profiliert. Daher gibt es gegen sie massive Widerstände. Zum Favoriten des "Putschisten"-Lagers zählt Prinzhorn. Lodernde Krisenherde Denn obwohl Reichhold mit Solidaritätskundgebungen überhäuft wird, war es einigen wichtig klarzustellen, wer Parteidarling Nummer 1 ist. Haider zum Beispiel. Der meinte, es sei Reichhold lieber, wenn er nicht zum Parteitag komme, weil ein erheblicher Teil der Delegierten hinter ihm, Haider, stehe. Er werde sich weiter bundespolitisch zu Wort melden - zu Themen, die Kärnten betreffen. Für Vorarlbergs Landesstatthalter Gorbach steht aber fest, dass am Samstag die "Nach-Haider-Ära" in der FPÖ beginnt. Selbst wenn Reichhold die von ihm selbst gelegte Latte von 80 Prozent Delegierten-Zustimmung überspringen sollte, sind damit nicht alle Krisenherde gelöscht. In der FPÖ Niederösterreich etwa brodelt es heftig. So fordert Hans-Jörg Schimanek im STANDARD-Gespräch die Rücktritte der "Haupträdelsführer" Ewald Stadler und Ernst Windholz. Sollten die beiden Putschisten aus Niederösterreich nicht zurücktreten, "verlange ich einen außerordentlichen Landesparteitag". Stadler kommentierte die Rücktrittsaufforderungen knapp mit "wirklich nicht". Viel wichtiger seien ihm inhaltliche Punkte - und zwar die in Knittelfeld erhobenen Bedenken gegen Abfangjäger und EU-Osterweiterung. Darauf werde er am Parteitag bestehen: "Diese Anliegen sind nicht vom Tisch, nur weil es einen neuen Obmann gibt." (Eva Linsinger, Martina Salomon/DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.9.2002)