Religionswissenschafter Adolf Holl betrachtet "seine" Kirche mit "kühlem Blick": Den "Dialog für Österreich" habe die Amtskirche gestoppt beziehungsweise ins Leeere laufen lassen

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Wien - "Weder mit Liebe noch mit Hass, sondern mit kühlem Blick" beobachte er die römisch-katholische Kirche, sagt der Wiener Religionswissenschafter Adolf Holl. Was er dabei sieht, wird die Verantwortlichen kaum freuen: "Österreichs katholische Kirche befindet sich langfristig auf dem Weg zu einer Minderheit", hält Holl im Gespräch mit dem STANDARD fest. Und folgert: Diese Entwicklung könne auch nicht aufgehalten werden. Denn, so Holl, "der Schwung ist weg". Eine knappe Antwort auf jene Frage, die der Religionswissenschafter gemeinsam mit anderen Fachleuten, wie den Wiener Soziologen Leopold Rosenmayr, ab heute, Freitag, bei einem zweitägigen Gedankenaustausch diskutiert: Was blieb 40 Jahre nach seiner Eröffnung vom Elan des Zweiten Vatikanischen Konzils? So lautet der Leitfaden von "muerz gespräch 2002" in Mürzzuschlag. Damals habe es einen Erneuerungsdruck gegeben, so Holl. Und heute? Den "Dialog für Österreich" habe die Amtskirche gestoppt beziehungsweise ins Leere laufen lassen. Es gebe auch keine Rezepte, wie man erneut einen derartigen Schwung in Gang setzen könnte. Das derzeit einzige positive Signal innerhalb der Kirche sei: "Es ist diese Art von Immunität und innerem Widerstand gegenüber den Versuchen der Obrigkeit, die Gläubigen wieder fromm und gehorsam zu machen." Als Bischöfe wie Hermann Groer und Kurt Krenn geweiht wurden, hätte man glauben müssen, "das war es jetzt. Und? Gar nichts ist geschehen." Die rund eine Million praktizierender Katholiken in Österreich habe sich von diesen "rechtslastigen Bemühungen nicht beeindrucken lassen". Wobei Holl einräumt, dass es "auch Gestalten im bischöflichen Gewande gibt, die versuchen, etwas zu tun". Ob diese Veranstaltung neuen Schwung bringen könnte? Holl: "Sehr viel erwarte ich mir nicht." (Peter Mayr/DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2002)