Wien - Die Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wird in der Herbst-Session des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) nicht beraten. Die Regierung hat nämlich um Verlängerung der Stellungnahme-Frist ersucht. Damit kann der Gerichtshof vor der Wahl am 24. November keine Entscheidung über die von der VP-FP-Regierung beschlossenen Unvereinbarkeitsregelungen fällen, teilten Präsident Ludwig Adamovich und Vizepräsident Karl Korinek Donnerstag in einer Pressekonferenz mit. Auf dem Programm der Herbst-Session vom 23. September bis 12. Oktober stehen die Ambulanzgebühr, die Kärntner Beschwerde gegen die Saisonniers-Quoten, die Bank Austria-Creditanstalt-Beschwerde zur Finanzmarktaufsicht, das Rechtsanwälte-Berufsrecht und die Werbeabgabe. Im Juli hat der VfGH nach einer Beschwerde von Eisenbahner-Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl ein Gesetzesprüfungsverfahren in Sachen Hauptverband beschlossen. Der Gerichtshof äußerte Bedenken gegen die Unvereinbarkeitsbestimmungen, mit denen führende Gewerkschafter aus der Hauptverbands-Führung ausgeschlossen werden, und gegen die Bestimmungen über den Verwaltungsrat. Der VfGH prüft hier auch in Blickrichtung Beeinträchtigung der Selbstverwaltung. Entscheiden kann er allerdings nach der Stellungnahme der Regierung im November frühestens in der Dezember-Session. Über die Ambulanzgebühren wird es am 26. September (10.30 Uhr) eine öffentliche Verhandlung geben. Dies auch, wenn - wie für heute geplant ist - die Koalition die betreffenden Passagen bereits vorsorglich "repariert". Schließlich erfolge die Gesetzesprüfung amtswegig auf Grund von Beschwerden von PatientInnen. Und da sei es nötig, allenfalls auch im nach hinein festzustellen, dass eine Regelung verfassungswidrig war, erklärte Adamovich. Er bekräftigte, dass prinzipiell gegen eine Maßnahmen wie die Ambulanzgebühren mit der Begründung des "Lenkungseffektes" zu den niedergelassenen Ärzten nichts einzuwenden sei. Bedenken hat der Gerichtshof aber hinsichtlich der Ausnahmetatbestände. Dies vor allem in Fällen, wo eine adäquate Behandlung bei einem Arzt nicht möglich ist, aber trotzdem Ambulanzgebühren bezahlt werden müssen. Der VfGH wird sich "bemühen", die Causa in dieser Session zu entscheiden. Eine weitere öffentliche Verhandlung am 7. Oktober (10.30 Uhr) betrifft die Verpackungszielverordnung. Die Stadt Wien hat Beschwerde dagegen eingelegt, dass im Jahr 2000 die früher nach Getränken unterschiedlichen Sammelquoten für Verpackungen auf 80 Prozent vereinheitlicht wurden. Die Sache ist "nicht leicht durchschaubar", deshalb verhandle man öffentlich, betonte Adamovich. Wieder einmal mit dem Kärntner LH Jörg Haider (F) zu tun hat es der VfGH in Sachen Saisonniers- und Erntehelferquoten-Verordnungen des Wirtschaftsministeriums. Haider hat wiederholt kritisiert, dass das in der Niederlassungsverordnung vorgegebene Maximum von 8.000 Beschäftigungsbewilligungen überschritten worden sei. Der VfGH muss nun entscheiden, ob diese 8.000 eine "Globalsumme" für alle Wirtschaftszweige und Regionen sind oder nicht. Bei der Werbeabgabe prüft der VfGH die Ungleichbehandlung von Prospekten, die einer Zeitung begelegt werden, oder die allein verteilt werden. Eine Gruppe von Rechtsanwälten hat sich an den VfGH gewandt, um das Recht auf Bildung einer "multidisziplinären Gesellschaft", gemeinsam mit Wirtschaftstreuhändern, durchzusetzen. Derzeit ist das nach der österreichischen Rechtslage nicht erlaubt. Hier spiele auch EU-Recht eine Rolle, erklärte Adamovich. Schließlich wird auf Antrag der Bank Austria-Creditanstalt die Frage, wer wie weit die Kosten der Finanzmarktaufsichts-Kontrolle zu tragen hat, geprüft. Korinek bestätigt Bewerbung als Präsident Der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, bestätigte Donnerstag in der Pressekonferenz, dass er sich um das Amt des Präsidenten bewerben wird. Präsident Ludwig Adamovich geht mit Erreichen der Altersgrenze in Pension. Zur Frage, ob über die frei werdenden Posten - auch ein "einfaches" Mitglied ist nachzubesetzen - noch von der "alten" Regierung entschieden werden sollte, stellte Adamovich nur fest: Eine mit der Fortführung der Geschäfte beauftragte Regierung habe die selben Rechte wie eine definitive Regierung. Mit der Fortführung der Geschäfte beauftragt wird in der Regel die Regierung, wenn sie am Tag nach der Wahl - was "üblich, aber keineswegs rechtlich verlangt" sei - demissioniert. Es sei "anerkannt und unbestritten", dass diese Regierung die selben Kompetenzen hat wie eine definitiv ernannte. Wie weit sie davon Gebrauch mache, sei ihre Sache, so Adamovich. Und dies sei eine "politische Frage", zu der weder Adamovich selbst noch Korinek Stellung nehmen wollten. Großen Entscheidungsspielraum bescheinigte Adamovich dem Bundespräsidenten in der Frage, wen er nach der Wahl mit der Regierungsbildung beauftragt. "Wenn der Bundespräsident irgendwo Entscheidungsspielraum hat, dann in dieser Frage." Die einzige aus der Verfassung ablesbare Vorgabe wäre, dass die gebildete Regierung das Vertrauen des Nationalrates haben müsse, erklärte Korinek. (APA)