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Temelin

foto: apa/epa/knize
Wien/Prag - Mittwochabend, in der Sitzung des FPÖ-Klubs, hat der designierte Parteiobmann der Freiheitlichen, Mathias Reichhold, noch einen deutlichen Appell zur geschlossenen Befürwortung der EU-Osterweiterung ausgesprochen. Donnerstagfrüh war die Sache schon weit weniger eindeutig. Dazwischen liegt ein Bericht der tschechischen Zeitung Lidove noviny, nach dem die tschechische Atomsicherheitsbehörde eine sicherheitstechnische Nachrüstung des grenznahen Atomkraftwerks Temelín ablehnt, was allerdings am Donnerstagnachmittag relativiert wurde. "Wir werden das Ergebnis der Analyse bis Ende September vorlegen. Es ist allerdings jetzt schon klar, dass wir gegenüber der Betreibergesellschaft CEZ keine Empfehlung für den Bau zusätzlicher Sicherheitseinrichtungen abgeben werden", sagte Dana Drabova, Chefin der Behörde für nukleare Sicherheit (SUJB). "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir den Betreiber nicht zu einer nutzlosen Investition zwingen können, die unserer Meinung nach die Sicherheit von Temelín nicht erhöht", fügte sie hinzu. Ursula Haubner, oberösterreichische Landesrätin und ab Samstag möglicherweise stellvertretende Parteiobfrau, reagierte prompt: Frau Drabovas Aussagen seien eine "ungeheuerliche Provokation". Sollte dies tatsächlich die Ansicht Tschechiens sein, so wäre das eine schwere Belastung der nachbarschaftlichen Beziehungen, warnte Haubner. In diesem Fall sehe sie, sagte Haubner, "nur die Möglichkeit, das Energiekapitel mit Tschechien erneut aufzuschnüren". Dies wäre die "logische Konsequenz", denn "ein Beitritt Tschechiens mit Temelín ist aus heutiger Sicht jedenfalls nicht vorstellbar", sagte Haubner. Die Analyse der Sicherheitseinrichtungen war im Vorjahr vom damaligen tschechischen Ministerpräsidenten Milos Zeman, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen gebilligt worden. Es geht dabei unter anderem um die Errichtung einer Mauer zwischen den Dampf-und Wasserleitungen gemäß deutschen AKW-Standards - diese wird von SUJB abgelehnt. Innenpolitisch versuchte der österreichische Umweltminister Wilhelm Molterer rasch zu löschen: "Wir gehen davon aus und werden darauf achten, dass der Vertrag von Brüssel auf Punkt und Beistrich eingehalten wird." Molterer will auf offizielle Stellungnahmen aus Prag warten - schon am Donnerstagnachmittag wurde von der tschechischen Botschaft mitgeteilt, dass die erhöhte Sicherheit im Kraftwerk "mit moderneren, effektiveren und zugleich deutlich aufwändigeren Mitteln" angestrebt werde. Neue FPÖ-Wirbel Für die designierte FPÖ-Führung wird auf dem Parteitag am Samstag aber nicht nur das AKW Temelín zur Belastung: Vielmehr könnte eine Diskussion um die Osterweiterung genau jene Fronten zwischen Regierungs- und Oppositionskurs wieder aufbrechen lassen, die durch die Wahl Reichholds eigentlich befriedet werden sollten. Reichhold forderte daher in einer Aussendung am Donnerstag von seiner Partei einen "Stopp der medialen Selbstzerfleischung". Es sei höchst an der Zeit, dass in der FPÖ "wieder mehr Qualität in die innerparteiliche Gesprächs- und Diskussionskultur einkehre". Daher werde er, Reichhold, am Parteitag mehr Disziplin und Geschlossenheit in der öffentlichen Darstellung einfordern. Für den Fall seiner Wahl kündigte Reichhold eine Phase der Konsolidierung an. Er fordere den "freiheitlichen Schulterschluss", um mit voller Kraft in den Wahlkampf ziehen zu können. "Manche Funktionäre suchen die Gegner nur mehr in den eigenen Reihen und vergessen auf den politischen Mitbewerber", kritisierte Reichhold die neuerliche mediale Diskussion. Gemünzt ist das offenbar auf den freiheitlichen Volksanwalt Ewald Stadler, der sich auch als Anwalt jener sieht, die den Sonderparteitag gefordert haben. Stadler ist dafür von innerhalb und außerhalb der FPÖ kritisiert worden, er steht aber zu seiner Haltung. Was ihm nunmehr auch Kritik seiner Kollegen in der Volksanwaltschaft einträgt: Das Nachrichtenmagazin Format zitiert einen Brief, in dem die Volksanwälte Peter Kostelka und Rosemarie Bauer Stadler zu einem "dringenden Gespräch" bitten, weil Stadler die Infrastruktur der Volksanwaltschaft für Parteiarbeit missbrauche: "In den letzten Tagen war unverkennbar, dass von deinem Büro Aktivitäten ausgegangen sind, die mit der volksanwaltschaftlichen Tätigkeit nicht im Zusammenhang stehen." An einer anderen Front ist Beruhigung eingetreten: Der oberösterreichische FP-Klub hat dem scheidenden Landesparteichef Hans Achatz bestätigt, dass er Landesrat bleiben kann. (red/ APA/(DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2002)