Je geringer die Qualifikation, desto länger und mühsamer ist die Jobsuche nach der Entlassung.

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Es sind nicht nur gesellschaftliche Vorurteile, die Ex-Häftlinge als Hürde auf dem Weg ins "freie" Arbeitsleben nehmen müssen. Es fehlen auch die Angebote - gerade für Frauen: "Die Arbeitssituation und die Möglichkeiten für haftentlassene Frauen, wieder in die Berufswelt eingegliedert zu werden, sind sehr schwierig", weiß Josef Granabetter, Leiter des Teams der Haftentlassenenhilfe Wien. Der Grund: Sie sind größtenteils unterqualifiziert oder haben gar keine Ausbildung und die gängigen Hilfsjobs, in denen männliche Ex-Häftlinge häufig unterkommen, wie Bauarbeiten oder handwerkliche Schwerarbeit, sind für Frauen nicht geeignet. Und je geringer die Qualifikation, desto schwieriger der Neustart. "Viele hatten auch schon vor der Haft keinen Job, oder können nicht mehr in den alten Job zurück, andere wieder sind durch die Zeit in Haft nicht mehr auf dem aktuellsten Ausbildungsstand ihres erlernten Berufs", so Granabetter. "Fallstrick" Vorstrafenregister Ein häufiges Problem bei der Jobvermittlung sei auch das "befleckte" Leumundszeugnis: Selbst fertig ausgebildete Frauen hätten damit Probleme, unterzukommen, sagt Granabetter. Wie tolerant der Arbeitgeber ist, hänge vor allem von der Art der Vorstrafe ab und ob Drogen mit im Spiel waren. Manchmal haben die JobbewerberInnen auch Glück und können den Nachweis über ihre Unbescholtenheit erst später vorbeibringen - wenn sie sich bis dahin einen Vertrauensvorschuss erarbeiten konnten, kommt es schon vor, dass sie den Job trotz Vorstrafe behalten dürfen. Andererseits kann es aber auch Anlass zur fristlosen Entlassung sein, wenn das bei der Einstellung nicht erwähnt wurde. Was bleibt, sind meist Hilfsjobs, für die teilweise kein Nachweis der Unbescholtenheit verlangt wird, wie etwa in der Gastronomie. Lange Jobsuche Oft dauere es ein halbes bis ganzes Jahr, die Frauen unterzubringen. „Und da unser Angebot freiwillig ist, können wir auch nicht die Erfolge nachvollziehen, wenn die Frauen nicht mehr kommen“, so der Teamleiter. Nicht unbedenklich sieht Granabetter das "Aufwärmen" früherer Beziehungen, um zu einem Job zu kommen: "Die Frauen haben dann zwar vielleicht Arbeit, begeben sich damit aber häufig wieder in Abhängigkeiten, zum Beispiel von Männern." Einen großen Vorteil hätten Ex-Insassinen, die im Gefängnis eine Aus- oder Weiterbildung besucht und dadurch berufliche Fähigkeiten erworben haben. Im Frauengefängnis Schwarzau wie auch in der Frauenabteilung der Justizanstalt Favoriten werden zum Beispiel Module für den Europäischen Computerführerschein angeboten. "Das ist auch schon während der Haft sehr wichtig für das Selbstbewusstsein der Frauen", weiß Maria-Ulrike Scholda, Diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin des gelockerten Vollzugs in Favoriten. "Wenn sie die Prüfungen schaffen, dann geht es ihnen gut, sie haben dann das Gefühl, eine Perspektive zu haben." Arbeit im Gefängnis Die Art der Arbeit, der die Frauen im Gefängnis nachgehen, spielt auch eine Rolle für die Jobmöglichkeiten danach. In Favoriten arbeiten Frauen zum Beispiel in der Wäscherei, im gelockerten Vollzug häufig bei Gerichten, wo sie unter anderem Post sortieren oder in Aktenlagern tätig sind. Oder aber wiederum in Aushilfsjobs, in Würstelbuden oder Schnitzelständen, weil es bereits in der Haft schwer ist, Unternehmen zu finden, die Häftlinge beschäftigen. „Die meisten argumentieren, dass Häftlinge als Arbeitskräfte nicht billiger seien – obwohl bei ihnen aber die Lohnnebenkosten entfallen und die Sozialversicherung die Justizanstalten tragen“, so Scholda. Zuwendung als "Startkapital" Die Entlohnung der InsassInnen sind an die Kollektivverträge der Metallarbeiter gekoppelt. Von den Bruttobezügen werden dann 75 Prozent Vollzugskostenbeitrag und der Arbeitnehmeranteil der Arbeitslosenversicherung abgezogen. Bleibt netto im Durchschnitt ein Euro die Stunde, wovon wiederum 50 Prozent bis zur Entlassung als Rücklage angespart werden. "Ob sie sich dabei ausgenutzt vorkommen, hängt bei den Frauen oft von der Zuwendung ab“, sagt Scholda. „Wenn sie sich zum Beispiel bei der Arbeit in einem Gericht angenommen und eingegliedert fühlen, dann fühlen sie sich auch nicht ausgenutzt, weil ihnen das schon viel gibt.“ Eine weitere Motvation seien bei Frauen außerdem auch häufig ihre Kinder, – viele der Insassinen sind jung schwanger geworden - denen sie nach der Haft ein besseres Leben bieten wollen, und für die sie nun arbeiten. "Nora" - Praxisorientierte Jobs für Frauen Als besondere berufliche Förderung für Frauen in Haft wurde in Favoriten außerdem der Sozialtherapeutische Frauenarbeitsbetrieb "Nora Büroservice" (siehe Kasten links oben) ins Leben gerufen: Bis zu acht Frauen, die einen EDV-Kurs absolviert haben und im gelockerten, bzw. Freigängerinnen-Status sind, können dort ihre erworbenen Kenntnisse professionell nutzen. Bei "Nora" werden unter anderem Texte verarbeitet und formatiert oder gelayoutet, Adressen verwaltet, Visitkarten, Folder, Lesezeichen oder Briefpapier entworfen und nach Aufträgen von Justizbediensteten, sozialen Einrichtungen, sowie Privatpersonen oder Unternehmen erstellt. "Ziel von 'Nora' ist es, in einer Gesellschaftsstruktur, in der die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen nach wie vor vielfach fremd- bzw. mann-bestimmt sind, den beschäftigten Frauen Arbeitserfahrungen unter einem großen Ausmaß an Eigenverantwortung zu ermöglichen", sagt Maria-Ulrike Scholda. "Die regelmäßige Arbeitstätigkeit am Ende ihrer Haft soll sie auf ein selbstbestimmtes Leben und Berufsleben vorbereiten – deshalb freuen wir uns über jeden einzelnen neuen Auftrag."