Foto: Constantin
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Wien - Ein Schlauchboot steht aufgeblasen mitten in der provisorisch bezogenen Wohnung. Zur Beziehungsnachbereitung setzt man sich die Mütze, den Hut oder die Sonenbrille auf und nimmt die Ruder in die Hand. Zum Schlafen geht es ins Zweimannzelt, das im warmen Licht unter der Wäscheleine sanft seine Kuppel erhebt.

Schon herrscht Regieeinfall-Alarm. Die Menschen hier sprechen Filmsprache, bewegen sich in Filmräumen und tun Sachen, die es nur in Filmen oder im Fernsehen gibt. Wahrscheinlich ist das alles metaphorisch zu verstehen (und damit es jeder versteht, bewegt sich die Metaphorik auf Sinnspruchniveau). Denn hier sollen doch das pralle Leben, die zwischenmenschlichen Problemzonen unserer Zeit und das immer noch labile Geschlechterverhältnis verhandelt werden!

Die Menschen in Doris Dörries jüngstem Film, der Nackt heißt und auf ihrem Theaterstück Happy basiert, sind ein halbes Dutzend Endzwanziger: Drei Frauen und drei Männer - das macht drei Paare, drei Wohnungen, ein gemeinsames Abendessen oder dreifach variierte Zweisamkeit.

Pärchenspiele

Paar eins (Heike Makatsch, Benno Fürmann) ist bereits getrennt und wirtschaftlich angeschlagen, Paar zwei (Alexandra Maria Lara, Jürgen Vogel) gutes Mittelfeld, immer noch glücklich und beruflich nach oben mobil, Paar drei (Nina Hoss, Mehmet Kurtulus) ist mitten in der Krise, aber sonst höchst erfolgreich. Befreundet waren sie schon, als alles noch weniger klar definiert war. Inzwischen, so die simple Logik, haben Geld und Besitzstreben die Freundschaft und die Liebe nachhaltig beschädigt.

An diesem entscheidenden Abend, den der Film erzählt, sind alle bei den Erfolgreichen zum Essen eingeladen. Vorher wird Paar für Paar wortreich der Stand der Dinge erhoben. Später bei Tisch macht man in Psychokleinkrieg - sein Höhepunkt (und Titelstichwort): Kann man nackt und mit verbundenen Augen den eigenen Partner tastend erkennen? Danach wird, wiederum in Zweiergruppen, nochmals neu bilanziert.

So schematisch und artifiziell wie diese Anordnung sind auch die Dialoge: "Ich zeig' dir dauernd meine Seele, aber du kuckst gar nicht hin!", "Du erinnerst dich an eine Katze mit Diabetes, aber nicht an uns!", "Du hast Speck auf der Seele!" Immer schön mit Rufzeichen, mit großen Augen oder hektischen Handlungen versehen (x-mal Umziehen, einmal ordentlich beim Kochen pfuschen und dann noch eine Runde auf dem Rennrad um den Esszimmertisch). Was die große Dringlichkeit, die hier offenbar herrschen soll, aber auch nicht nachvollziehbarer macht.

Gute hundert Minuten geht diese überspannte Plattitüdensammlung in ebensolchen Dekors über die Leinwand. In einschlägigen Zeitschriften - "Machen Sie den Treuetest" und so weiter - kann man vergleichbar Klischeehaftes regelmäßig sehr viel schneller lesen oder auch bloß überblättern. Hier sitzt man jedoch im Kino und weiß nicht, ob man darüber einfach lachen oder doch eher weinen soll, und denkt am Ende: Wie sangen doch die Lassie Singers - "Pärchen, verpisst euch, keiner vermisst euch!" Genau. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2002)