Irak
"The Times": Allerletzte Chance für Saddam Hussein
"La Tribune": Krieg gefährdet Weltwirtschaft
Paris/London/Rom/Genf - Zahlreiche europäische Tageszeitungen
beschäftigen sich am Mittwoch mit der Krise zwischen dem Irak und den
USA wegen der UNO-Waffeninspektionen und der negativen Reaktion
Washingtons auf das Einlenken Bagdads. Die französischen Zeitungen
setzen sich kritisch mit der Haltung der USA auseinander."Le Monde" (Paris): Was wollen die USA wirklich?
"Washington hat das Angebot aus Bagdad zurückgewiesen und es als
"Taktik, die scheitern wird" bezeichnet. Das war keine gute Reaktion.
Jeder weiß, dass Saddam Hussein ein gewiefter Bursche ist. Doch ein
Krieg ist eine zu ernste Angelegenheit. Man sollte den Iraker vorher
beim Wort nehmen. Doch in Wirklichkeit steht das Wort der USA auf dem
Spiel. Was wollen sie - die Entwaffnung des Irak oder den Sturz
Saddam Husseins? Welches ist die Priorität und das wirkliche Ziel der
gegenwärtigen Kampagne? Die Vereinten Nationen dürfen nicht auf
Washington hören. Der Sicherheitsrat muss eine Resolution
verabschieden, in der die Rückkehr der Waffeninspektoren in den Irak
verbindlich festgelegt wird. Dieser Schritt ist eine unverzichtbare
Etappe."
"Liberation" (Paris): Kehrtwende muss ernst genommen
werden
"Vor allem für Paris, Moskau und mehrere arabische Länder, die
sich nur unter Zwang der Idee einer massiven Intervention gegen Irak
gebeugt hätten, erscheint Saddam Husseins Kehrtwende als Öffnung, die
ernst genommen werden muss. Ganz anders der amerikanische Standpunkt:
Demzufolge versucht der irakische Präsident nur noch einmal, in
dieser Poker-Partie die Karten durcheinanderzubringen, um Zeit zu
gewinnen und schließlich alle übers Ohr zu hauen. Das Mandat und die
Mittel der Abrüstungsmission müssen präzisiert und verstärkt werden.
Und warum nicht der ganzen Übung ein Zieldatum setzen?"
"La Tribune": Bushs Drang zum Krieg
"George W. Bush, dessen einziges Ziel es ist, seinen ärgsten Feind
Saddam Hussein zu beseitigen, scheint kein anderes Mittel zu kennen
als den Drang zum Krieg, der allerdings den weltweiten
wirtschaftlichen Wiederaufschwung gefährdet. Gerade jetzt, wo die
Wirtschaft mühsam wieder anläuft, wird der hohe Ölpreis den erhofften
Aufschwung auf später verschieben. Diese 'Kriegsprämie' des hohen
Ölpreises ist die direkte Folge der Sorgen, die eine Kriegsaktion des
amerikanischen Präsidenten auslösen könnte. Dieser Preis wird so
lange hoch bleiben, wie die USA an ihrer Haltung fest halten, oder
bis im Irak ein in amerikanischen Augen akzeptables Regime Einzug
hält. Derweil sieht es nicht so aus, als würde das Weiße Haus seine
Meinung ändern."
"Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg) - Bush oder Saddam:
"Wer lügt, wer betrügt?"
"Wer lügt, wer betrügt, wer behandelt seine Nachbarn wie
Schachbrettfiguren? Saddam Hussein, der schwört, keine massiven
Vernichtungswaffen mehr zu besitzen - oder George Bush, der, besessen
vom Herrn aus Bagdad, versichert, dass die irakischen Verstecke den
Weltfrieden bedrohen? Im Grunde weiß niemand Genaues und deshalb
kommt der eventuellen Rückkehr der UN-Inspektoren große Bedeutung zu.
Bush befindet sich in einer Zwickmühle. Indem er den Vorschlag Saddam
Husseins ausschlägt, scheint er zuzugeben, dass die USA sich nicht um
die UNO zu scheren brauchen. Er widerspricht so seiner Rede vom
letzten Donnerstag, was ebenso beunruhigend für die weiteren
Ereignisse ist wie die ständigen Kehrtwendungen Saddam Husseins. So
entschlossen sie auch zu einem Militärschlag sein mögen, die USA
können der Welt nicht Moral predigen und gleichzeitig das
internationale Recht mit der Gelassenheit von Bananenrepubliken
missachten."
"The Times" (London): Allerletzte Chance für Saddam Hussein
"Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden mit dem Brief
des Irak an die Vereinten Nationen die Forderungen von US-Präsident
George W. Bush und des britischen Premierministers Tony Blair
erfüllt. Aber die Erfahrungen mit dem irakischen Präsidenten Saddam
Hussein zeigen, dass oft aus taktischen Gründen leere Versprechungen
gemacht wurden, um Gefahren abzuwenden. Seine diplomatischen
Anstrengungen kamen nicht überraschend. Die Vereinten Nationen müssen
Saddam daran erinnern, dass dies seine allerletzte Chance ist."
"La Repubblica" (Rom): Als wäre nichts geschehen
"Es ist, als sei der Brief aus Bagdad niemals bei den Vereinten
Nationen angekommen. US-Präsident Bush tut so, als gebe es ihn nicht,
und fordert 'action', weil die Kriegsmaschinerie bereits zu weit im
Vormarsch ist, und die Falle, die Bush selbst gestellt hat, bereits
dabei ist, sich zu schließen. So kehrt die 'Angst von 1991' ins Weiße
Haus zurück, die Furcht, dass Überraschungszüge des "Falschspielers
von Bagdad" die Kriegsmaschine im letzten Augenblick aufhalten
könnte, so wie ein Überraschungszug Saddams seinerzeit bei der
Besetzung Kuwaits die Operation Wüstensturm hätte aufhalten können."
"Corriere della Sera" (Mailand): Saddams "Mutter aller Zweifel"
"Saddam Hussein kann sich derzeit dazu beglückwünschen, dass er
seinerzeit die "Mutter aller Zweifel" in die Welt gesetzt hat: Seine
bedingungslose Erlaubnis zur Rückkehr der UN-Waffenkontrollore ist
lediglich eine Neuauflage seiner durchtriebenen Diplomatie, die 1991
den Golfkrieg doch nicht verhindern konnte. Oder hat Bagdad wirklich
den Kurs gewechselt, nach dem es praktisch mit dem Rücken zur Wand
stand? Von der Beantwortung dieser Frage hängt die Möglichkeit ab,
einen erneuten militärischen Konflikt zu verhindern (...). Die
Franzosen meinen, man müsse nunmehr Saddam beim Wort nehmen, und ihr
Standpunkt scheint der ausgewogendste zu sein, im Vergleich mit der
sofortigen Skepsis der Amerikaner und dem unvorsichtigen Optimismus
der Russen."
"Tages-Anzeiger" (Zürich): Waffeninspektoren unverzüglich in den
Irak
"Es ist eine Tatsache, dass die irakische Regierung die Arbeit der
Waffeninspektoren in den sieben Jahren, die sie im Land waren, oft
behinderte. Fest steht aber ebenso, dass die Kontrollore in dieser
Zeit große Mengen an chemischen und biologischen Waffen vernichteten
und die Nuklearkapazitäten fast vollständig zerstörten. Ihre Mission
insgesamt leistete also einen wichtigen Beitrag, um den Diktator in
die Schranken zu weisen. Wenn es Präsident Bush wirklich darum geht,
der irakischen Bevölkerung ein besseres Leben zu ermöglichen, sollte
er dafür sorgen, dass die UNO-Waffeninspektoren ihre Arbeit
unverzüglich aufnehmen können und damit die Voraussetzungen
geschaffen werden, um das Embargo gegen den Irak aufzuheben. Davon
würden die 23 Millionen Iraker mit Sicherheit profitieren. Was man
von einer abenteuerlichen Militäraktion mit ungewissem Ausgang nicht
behaupten kann." (APA/dpa/Reuters)