Europa
Tschechische Koalitionsparteien legen Regierungskrise bei
Drei-Parteien-Koalition soll unverändert weiterregieren - Neue Regeln für Abstimmungen im Parlament vereinbart
Prag - Die tschechischen Sozialdemokraten (CSSD) von
Ministerpräsident Vladimir Spidla, die Christdemokraten (KDU-CSL) von
Außenminister Cyril Svoboda und die rechtsliberale
Freiheitsunion-Demokratische Union (US-DEU) von Ivan Pilip haben am
Mittwoch in Prag die Regierungskrise offiziell beigelegt. Es wurde
ein Dokument unterzeichnet, das das weitere Funktionieren der
bisherigen Regierungskoalition in unveränderter Zusammensetzung
garantieren soll. Neben Spidla und Pilip setzte auch Svoboda seine
Unterschrift unter den Text, obwohl ursprünglich erwartet wurde, dass
das Dokument nur von Vertretern der CSSD und der US-DEU unterzeichnet
wird. Die Parteien verpflichteten sich in dem Dokument, das als Anhang
zum ursprünglichen Koalitionsvertrages gilt, dass sich eine Situation
wie vergangene Woche nicht wiederholen dürfe. Damals hatte die
US-DEU-Abgeordnete Hana Marvanova gegen die Koalition gestimmt und
damit das Hochwasser-Steuerpaket scheitern lassen. Die
Koalitionsparteien haben in dem 200-köpfigen Abgeordnetenhaus nur
eine knappe Mehrheit von 101 Stimmen.
Abgeordnete müssen wichtige Gesetzesvorlagen unterstützen
Alle Koalitionsparteien sollen künftig bei der Abstimmung im
Unterhaus jene Gesetzesvorlagen einstimmig unterstützen, die die
Regierung als wichtig einstuft, wie beispielsweise die Budgetgesetze
oder Gesetze, die mit dem EU-Beitritt zusammenhängen. Zuvor sollen
aber die Entwürfe auch innerhalb der Klubs der Koalitionsparteien
diskutiert werden, was bisher nicht praktiziert wurde. Sollte eine
Partei trotzdem nicht im Stande sein, die Stimmen aller ihrer
Abgeordneten zu garantieren, müssten ihre Minister freiwillig
zurücktreten. Die betroffene Partei dürfte danach im Unterhaus keine
Vorschläge zur Misstrauensabstimmung unterstützen. Damit ist vor
allem die US-DEU gemeint.
Svoboda erklärte in diesem Zusammenhang, sollte die US-DEU diese
Verpflichtung nicht einhalten, werde die KDU-CSL die Regierung nicht
verlassen, auch wenn beide Parteien bei den Wahlen im Juni in einem
Wahlbündnis kandidierten. Spidla kommentierte das Dokument mit den
Worten, die Garantien seien "ausreichend stark", allerdings sei
selbstverständlich keine Regierung unerschütterlich.
Gleichzeitig tauchten Zweifel darüber auf, in wie weit der Anhang
zum Koalitionsvertrag den Zusammenhalt der Drei-Parteien-Koalition
wirklich garantieren könnte. Nach Auffassung der tschechischen
Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" (Mittwoch-Ausgabe) habe die
Abstimmung über das Hochwasser-Steuerpaket die Schwäche der Regierung
gezeigt. "Sich einzureden, dass der mit einem weiteren Treue-Papier
bekräftigte Koalitionsvertrag nun fester ist, wäre mehr als töricht",
kommentierte das Blatt.(APA)