Wie andere EU-Hauptstädte tut sich Paris in der Irak-Frage äußerst schwer. Präsident Jacques Chirac glaubte einen Weg gefunden zu haben: indem Frankreich als permanentes Sicherheitsratsmitglied zwar eine Beteiligung an einem Einsatz nicht ausschließt, aber nur unter der Bedingung zweier UNO-Resolutionen - Ultimatum plus Eingreifbeschluss. Unter dem Eindruck des eher peinlich marginalen französischen Beitrags in Afghanistan will Chirac bei dem US-Antiterrorfeldzug nicht mehr durch Abwesenheit glänzen. Die fein austarierte Position Frankreichs droht nun durch die Extratour von drei Parlamentariern über den Haufen geworfen zu werden. Die Vertreter der Regierungspartei UMP ließen sich von einer Pariser Irak-Lobby bis zum gestrigen Dienstag nach Bagdad einladen. Delegationsleiter Thierry Mariani meinte danach, ein Krieg nutze niemandem und schon gar nicht Frankreich. Diese Position sei "exakt die, die Frankreich vertritt". Solche Behauptungen wie die ganze Stippvisite wirkten wie ein Stich ins Wespennest. Der Elysée-Palast gab seine übliche Zurückhaltung auf und tat seine "lebhafte Unzufriedenheit" kund; Premier Jean-Pierre Raffarin "missbilligte" die Reise offiziell. Die Reaktionen unterstreichen aber nur noch die Verlegenheit der Behörden. So geschlossen sie die Reise verurteilen, so geteilt sind die Meinungen in Frankreich: 65 Prozent der Franzosen sind gegen jede Truppenbeteiligung. Die Extratour der Hinterbänkler illustriert eine beträchtliche Malaise. Sie erinnert an die Demission von Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevènement im Golfkrieg. Wie damals François Mitterrand erachtet es Chirac heute im Interesse Frankreichs, an der Seite der USA mitzumachen. Und wie damals geschieht dies nur höchst widerwillig. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2002)