Wien - Das "nicht unbedingt wissenschaftsfreundliche Klima dieser Stadt" soll sich ändern. Hubert Christian Ehalt, Wissenschaftsreferent der Stadt Wien, hofft, damit für die 400 in der Bundeshauptstadt wissenschaftlich tätigen Vereine, die acht lokal ansässigen Universitäten und die Akademie der Wissenschaften künftig ein besseres Umfeld für ihre Forschungsarbeit bieten zu können.

Dafür werden nun die Förderrichtlinien des im Frühjahr gegründeten "Wissenschafts-, For-schungs- und Technologiefonds" (WWRTF) ausgearbeitet. Ein Prozess, der bis zum Beginn des nächsten Jahrs dauern wird, erklärt Bürger-meister Michael Häupl (SP). Erst ab dann können die ersten Forschungsprojekte gefördert werden. Pro Jahr werden sieben Millionen Euro dafür vergeben. Über den WWTF, der von Geschäftsführer Michael Stampfer geleitet wird, soll auch der Zugang zu Forschungsgeldern erleichtert werden. Die bisherige Antragstellung mussten Wissenschafterinnen und Wissenschafter kompliziert über etliche Stellen abwickeln. "Die Förderlandschaft ist zersplittert und begünstigt die Großen", hat Karl Kuchler, Professor für Molekulare Genetik, bereits vor Monaten im STANDARD-Gespräch kritisiert. Ein Befund, den auch die Boston Consulting Group in einer Studie bestätigt.

Seit längerem schwelt die Diskussion, wie die Bundeshauptstadt zu einem international anerkannten Technologiestandort werden kann. SP-Finanzstadtrat Sepp Rieder rechnet, dass durch Innovationen in der Biotechnologie bis zu 10.000 neue Jobs bis 2010 entstehen könnten. Aufgrund dieser Schätzung hat Wien den Biotechnologie-Cluster, der im Bezirk Landstraße angesiedelt ist, ins Leben gerufen. In den nächsten Jahren sollen sich dadurch positive Effekte für die Wirtschafts- und Arbeitsplatzsituation ergeben.

Österreichweit sind Bestrebungen im Gang, den Anschluss an die internationale Forschung zu schaffen. Biotechnologiezentren sind in Graz und Innsbruck sowie in Krems im Aufbau. Die Kremser Donauuniversität startet ab Herbst mit dem Studium "Medizinische und Pharmazeutische Biologie". An den Fachhochschulen Tulln (NÖ), Hagenberg (OÖ) und in Wien starten nun ebenfalls Biotech-Studien.

Wunsch nach Arbeitsplätzen

Den Wunsch nach mehr Arbeitsplätzen, die in Biotech-Firmen entstehen könnten, teilen Politiker mit ihren Landsleuten, wie eine Studie der "Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft" ergab. Rund 1000 Wiener und Wienerinnen halten vor allem die Forschungsbereiche "Medizintechnik" und "Umwelt- und Recyclingtechnik" für "sehr wichtig" und "wichtig" (jeweils mehr als 90 Prozent Zustimmung). Logisch, dass sich Wissenschaftsreferent Hubert Ehalt durch die von der Stadt Wien finanzierte Studie in der städtischen For-schungspolitik bestätigt sieht.

Vor übertriebenen Erwartungen, dass mit dem Boom in der Biotechnologie auch neue Arbeitsmärkte entstehen, warnen dagegen Experten. Dieter Schweizer, Leiter des Wiener Gregor-Mendel-Instituts, wendet sich dezidiert gegen euphorische Arbeitsmarktprognosen. Es bedürfe einer differenzierten Sichtweise, ob Personal in der Forschung benötigt werde oder in der Produktion. (aw/DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2002)